Beschreibung | Engadin Ultraks 2015 - Media anstatt Grand
(Bester Support aus den eigenen Reihen, kurz vor dem Start)
//Motivation
Als ich von den Trail-Maniacs angefragt wurde, ob ich bei der 1. Austragung des Engadin Ultraks mitmachen wolle, brauchte ich nicht lange überlegen und hatte sofort zugesagt. Die Ultraks-Rennen hatten einen sehr guten Ruf bezüglich spannender Streckenführung und perfekter Organisation, dies hatte ich bereits am Matterhorn Ultraks Skialp erfahren dürfen.
Ich hatte mich im Vorfeld gut auf das Rennen über die 46k Ultradistanz vorbereitet, mit langen Einheiten und vielen Höhenmetern, sowie kürzeren Sprintrennen, und konnte demnach zuversichtlich und entspannt dem Renntag entgegensehen. Doch oftmals kommt es anders als man denkt. Wenige Tage vor dem Rennen bekam ich starke Rückenschmerzen, bereits 2013 hatten mich diese aus der Bahn geworfen. Unterdessen hatte ich die Rumpf- und Rückenmuskulatur gestärkt und das Problem im Griff, so dachte ich zumindest. War dies nun ein weiterer Rückschlag in meinen Bemühungen? Es war kein Rückschlag, denn am Abend vor dem Rennen war ich diesbezüglich schwerzfrei, Glück gehabt. Dafür war mit meiner Verdauung etwas nicht in Ordnung, und ich musste während der Nacht mehrmals auf die Toilette... Sehr schön, so würde ich bereits dehydriert an den Start gehen. Damit einhergehend hatte ich keine Sekunde geschlafen, beste Voraussetzungen um ein anstrengendes Rennen zu bestreiten...
//Race
Ich liess mir nichts anmerken vor dem Rennen und versuchte die Horrornacht wegzudenken. Immerhin, der Bauch hatte sich etwas beruhigt, und Dank dem Adrenalin war auch die Müdigkeit kein Thema. Zudem durfte ich auf die moralische Unterstützung meiner Kinder zählen, darüber war ich sehr froh. Nach den üblichen Ritualen und einem verhaltenen Warm-up bewegte ich mich zur Startlinie, wo um 08:15 Uhr der Startschuss gefallen war.
Wenn ich in den Bergen laufen gehe, habe ich normalerweise die bewährte low-profile (WLP) Trinkblase von Source dabei, die liegt angenehm am Rücken und ist kaum spürbar. Einziger Nachteil: Man weiss nie wieviel man bereits getrunken hat oder wieviel Flüssigkeit noch übrig bleibt. Demzufolge hat man meistens die Tendenz zu wenig zu trinken. Bei einem langen Rennen, und insbesondere an einem heissen Tag wie heute, war die konstante Flüssigkeitszufuhr aber sehr wichtig. Aus diesem Grund hatte ich mir vor einigen Wochen die AK Race West 2.0 von Ultimate Direction angeschafft. Die zwei Flaschen zu 6dl werden an der Schulterhalterung fixiert, sind leicht zugänglich, und lassen sich schnell austauschen oder nachfüllen. Und man sieht immer genau wieviel Wasser man noch hat. Um dieses Trinksystem nicht am Renntag zu testen war ich bereits einige Male damit laufen, und die anfängliche Euphorie war dann auch bereits verflogen, die Flaschen drückten mir auf den Brustkorb, nicht auszudenken wie sich das nach 6 Stunden anfühlen musste. Ich würde es früh genug herausfinden.
Als wir leicht ansteigend durch's Dorf eilten und der Puls in die Höhe schnellte, fühlte ich mich durch meinen neuen Rucksack in der Atmung eingeengt, doch dieses Gefühl legte sich zum Glück bald wieder. Unterwegs ins Val Roseg fand ich meinen Rhythmus und konnte den Kopf endlich ausschalten. Laufen und atmen. Ich musste einzig darauf acht geben, dass ich den Puls nicht oder nur kurzzeitig über die von mir gesetzte Schwelle von 150bpm treiben würde. Denn so wusste ich, dass ich die Pace über mehrere Stunden aufrechterhalten konnte. Ich wurde dann auch von einigen Läufern zurückgelassen, aber ich hielt mich strikt an meine Weisung. Und das war gut so. Denn im langen und schweisstreibenden Anstieg zur Fuorcla Surlej 2755m wurden die übermütigen Läufer bereits wieder eingesammelt und überholt. Die wirklich Schnellen waren natürlich bereits über alle Berge.
(Aufstieg und Ankunft auf der Fuorcla Surlej 2755m - Fotos © www.alphafoto.com)
Unmittelbar vor der Passhöhe meldete sich mein Bauch wieder, und kurz darauf im Abstieg, noch vor dem Verpflegungsposten bei der Station Murtel Pkt. 2699m, hiel ich es nicht mehr aus und musste mich hinter einem Stein erleichtern. Die folgenden Minuten stand ich etwas neben den Schuhen und hatte auch mental zu kämpfen, machte es überhaupt Sinn noch weiterzulaufen? Oder sollte ich im besten Fall das Rennen in Pontresina nach 30k beenden, und so wenigstens in die Media-Wertung gelangen? Ich tuckerte so dahin und liess mich etwas gehen, bis ich ca. nach der Hälfte des Abstiegs neuen Mut fasste und mich an eine 2er Gruppe dranhängte. Diese liess es brutal krachen und sammelte schrittweise Läufer ein. Ich hatte so die verlorenen Plätze wieder gut gemacht und den Körper in Schwung gebracht.
Abgesehen von der Verdauung lief es mir prima soweit, ich hatte viel und stetig getrunken und genügend gegessen, und hatte keinerlei Anzeichen von körperlichen Gebrechen oder Krämpfen. Trotzdem fasste ich in St. Moritz den Entschluss, dass Rennen nach 30k definitiv zu beenden. Bis dahin wollte ich es sauber über die Runden bringen. Nach 4 Bechern Wasser und Iso machte ich mich an den langgezogenen Anstieg nach Muottas da Schlarigna Pkt. 2218m. Ich konnte eine recht hohe Pace einschlagen und einige weitere Läufer distanzieren. Als die Höhe mehr oder weniger erreicht war flog ich über die soften Trails und hatte wieder Spass am laufen, was für ein Gefühlschaos! Die Sonne heizte inzwischen mächtig ein, das Wasser würde gerade noch reichen bis nach Pontresina. Für den weiteren Verlauf hatte ich zwei Ersatzflaschen organisiert. Aber soweit würde es nicht kommen.
Es folgte der steile Downhill zur Station Pontresina, auch hier konnte ich mit gelöster Handbremse in die Tiefe rauschen. Die letzten Meter hinauf ins Dorf waren erwartungsgemäss hart. Die Sonne brannte nieder und die Hitze erdrückte mich fast. Fast schon im Ziel leistete ich mir (zusammen mit zwei anderen) noch einen gröberen Verhauer, indem wir fehlerhaften! Markierungen folgten und einen Umweg von mindestens 500m und zusätzlichen Höhenmetern einbauten. Wir liefen dann ziemlich desorientiert von der anderen Seite über die Ziellinie. Aber es war mir ziemlich egal, es war ja sowieso alles nicht so gelaufen wie erhofft, nun war ich einfach froh dass es vorbei war.
//Fazit
Ausser Spesen nichts gewesen... Nein, so schlimm war es auch wieder nicht, ich hatte das Beste aus der Situation gemacht, und immerhin konnte ich die 30km sauber durchlaufen, ohne Schmerzen oder Krämpfe, dies war ein sehr positiver Aspekt! Aber trotzdem war es schade, da die Vorbereitung für die 46k Strecke optimal verlaufen war, bis kurz vor dem Rennen diese unerwarteten Probleme auftauchten. Doch im Moment war für mich das Risiko eines Hitzeschlags einfach zu gross gewesen, wäre ich in dieser Pace weitergelaufen, und für mich gab es eigentlich nur diese Option, denn wandern wollte ich nicht, und so hatte ich mich schliesslich für die Aufgabe respektive für die Wertung auf der Media-Strecke entschieden.
Landschaftlich spielte der Engadin Ultraks in der obersten Liga, die Trails waren sehr abwechslungsreich und die Umgebung grossartig! Organisatorisch bestand aber durchaus noch Verbesserungspotential: Die Streckenmarkierungen waren beim Zieleinlauf in Pontresina unauffindbar, und es war kein Hilfspersonal zugegen welches den Läufern den Weg zeigte, dies war sehr enttäuschend! So hatte ich eine Extraschlaufe mit zusätzlichen Höhenmetern eingebaut, und bin schliesslich von der anderen Seite ins Ziel gerannt, dies hatte mich bestimmt zwei bis drei Minuten gekostet! Auch andere Läufer waren davon betroffen. Die Sanität stand ebenfalls komplett neben den Schuhen - anstatt Zeichen von Überhitzung sowie Kreislaufproblemen zu erkennen und zu behandeln pflegten sie kleine Schürfwunden und übten sich im Verbände binden.
Ansonsten war es aber ein gelungener Anlass, und wenn das OK die genannten Kritikpunkte verbessern kann, dann lohnt es sich auf jeden Fall, das Rennen auch nächstes Jahr wieder auf den Wettkampfkalender zu setzen.
(Fuorcla Surlej 2755m, Zielankunft Pontresina - Fotos © www.alphafoto.com)
//Facts:
- Route: Pontresina - Roseg - Fuorcla Surlej - Stn. Murtel - Lej dals Chöds - St. Moritz - Muottas da Schlarigna - Pontresina.
- Distanz: 31km
- Höhenmeter: 1700m
- Terrain: 95% Trails (Berg- und Wanderwege), 5% Asphalt.
- Zeit: 3:44'07
- Schnittpuls: 142bpm
- Maxpuls: 168bpm
- Verpflegung: 4 Gels, 1 Salztablette, 1.2l Iso, zusätzliche Getränke an den Verpflegungsstellen.
- Rangliste: klick!
- Weitere Fotos: klick!
- Der Film zum Rennen: klick!
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GPS-Profil
GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte des Rennens können hier heruntergeladen werden (gpx file).
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Bemerkungen:
Im Gegensatz zu anderen Rennen wird bei den Ultraks Rennen Eigenverantwortung gross geschrieben. Dies zeigte sich beispielsweise bei der Anzahl Verpflegungsposten. Auf den 30km der Media-Strecke gab es gerade einmal drei Verpflegungsposten, und nur einer davon mit Essen, man war also gut beraten sein eigenes Material mitzuführen.
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