Beschreibung | Sibiriade 7a, 6c obl., 7. Sl. (****), mit Roland
(Hintisberg, zentraler Wandteil)
Der Hintisberg ist eine steile und kompakte, mit vielen Dächern durchzogene Wandflucht. Vorwiegend griffige und athletische Leistenkletterei in genialem Bänderkalk (horizontale Schlitze). Steile und athletische Dachzonen wechseln sich ab mit extrem scharfen und technischen Tropfloch-Passagen. Es ist somit neben guter Maximalkraft eine gehörige Portion Kraftausdauer gefragt. Die Touren sind grundsätzlich gut abgesichert, Friends und Klemmkeile können, müssen aber nicht zwingend eingesetzt werden.
Die Sibiriade ist eine fantastische, aber auch sehr anspruchsvolle Ochsner Kreation aus dem Jahre 2001, mit einer extrem schwierigen, ersten Seillänge (Kaltstart 7b oder 6c+ 1 p.a.), welche aber gut mit der 1. Sl 6b von Sigrif umgangen werden kann. Viele spektakuläre Dächer und anhaltend schwierige Wandkletterei in bestem Fels zeichnen die Sibiriade aus. Zwischensicherungen unter den Dächern sollten oft verlängert werden, um starken Seilzug zu vermeiden.
Nach einer lauen Nacht im Zelt und ausgiebigem Outdoor-Zmorge sind wir erneut zur Alp Hintisberg hochgecruised. Nach dem obligaten Aufwärmerli hinauf zum Wandfuss sind wir bei Kaiserwetter und sommerlichen Temperaturen um 10.15 Uhr in die Route eingestiegen:
1. Sl. 6b (Sigrif): Technisch homogene und anhaltende Kletterei an scharfem Fels in Remy-Manier, d.h. es muss immer mal wieder schön um den Bh herum geklettert werden... Die Crux bildet der Ausstieg über das Dach: Entweder schwieriger direkt hoch an kleinen, scharfen Griffen (min 6c+), oder dann leichter etwas rechts herum, an guten Griffen hoch, und wieder nach links zurück klettern (wie könnte es auch anders sein!). Anschliessend schöne Wandkletterei an scharfem Tropflochfels bis zum Stand, diesen auslassen (nur Express einhängen) und gleich noch einige Meter und Bh. weiter nach links queren bis zum Stand der Sibiriade auf dem Pfeiler.
>> Anhaltende Seillänge und hart bewertet, eher 6b+.
2. Sl. 6c: Gleich zu Beginn folgt ausgehend von einem Untergriff mit rechts ein dynamischer Längenzug mit links an einen Henkel! Anschliessend athletisch an der Dachkante einige Meter nach rechts klettern (links Sigrif!) bis zum Henkel und guten Schüttler (von hier kann auch der nächste Bh geklippt werden). Nun folgt die erste Bouldercrux: Mit rechts durchblockieren, linken Fuss hochstellen auf Reibung und mit links zweimal hochschnappen bis zum guten Griff. Anschliessend folgen einige Meter griffige Wandkletterei, bis ein weiterer Längenzug folgt: Ausgehend von einem Seitgriff links den rechten Fuss hochstellen und mit rechts weit hoch an die schlechte Sloperleiste greifen. Die Füsse etwas besser/höher platzieren und mit links an einen weiteren Sloper strecken, dieser ist weiter hinten deutlich besser zu halten, und nun kann der Express geklippt werden. Anschliessend folgt griffige Kletterei etwas rechtshaltend bis zum Stand, der Runout kann mit einem roten Cam. Gr. 1 entschärft werden.
>> In der zweiten Crux hat es mich nach hartem Kampf zuletzt doch noch abgeworfen, hmmm sehr schade, da fehlten nur Zentimeter :-/
>> Hart bewertet, eher 6c+.
3. Sl. 6b: Super Kletterei an messerscharfem Fels! Die Schlüsselstelle folgt gleich vom Stand weg, die Seillänge kann mit Friends (Cam. Gr. 0.75 und 0.5/1) zusätzlich ausgerüstet werden.
4. Sl. 7a: Grandiose und sehr spezielle Seillänge durch die eindrücklich ausladende Dachzone. Sehr athletische und dynamische Kletterei mit vielen Blockierzügen. Den ersten Bh. am besten gleich mit zwei Exen verlängern. Nachdem die steile Passage überwunden ist, folgt eine griffige Querung nach links zurück, es müssen hier sogar einige Höhenmeter abgeklettert werden, selten geil! Anschliessend etwas rechts hoch zum super luftigen Stand.
>> Hart bewertet, eher 7a+/7b, wir beide hatten die Seillänge härter empfunden als die SSl 7b von Floh! Hatte einen Hänger in der Dachzone, striktes Bouldertraining könnte hier Abhilfe schaffen ;-)
>> Vom Stand sind super Actionfotos vom Nachsteiger möglich!
5. Sl. 6c: Homogene, sehr technische Kletterei an messerscharfem Fels, die Griffe müssen immer wieder etwas gesucht werden. Die Crux an scharfen Tropflöchern über das Dach kurz vor dem Top, die besseren Griffe sind etwas links zu finden.
>> Könnte ebenfalls 6c+ sein.
6. Sl. 6b+: Schöne Wandkletterei an messerscharfen Tropflöchern. Zuerst eine technische Linksquerung (tief bleiben einfacher, oben durch geht es aber auch), dann mit einigen Blockierzügen an kleinen Leisten hoch zum luftigen Stand.
>> Die Arme wurden langsam müde, ging gerade noch so ;-)
>> Sigrif kommt von links zum gleichen Stand.
7. Sl. 5c: Schöne Ausstiegsseillänge, und für 5c natürlich auch nicht geschenkt. Zuerst schöner Piaz vom Stand weg, nach dem 1. Bh folgt ein schöner, griffiger Kreuzzug nach rechts. Anschliessend folgt einfache Kletterei bis zum Stand, den Runout kann man mit einem Cam. Gr. 0.75 entschärfen. Den Stand gleich überklettert und immer in der Verschneidung bleibend in grasigem Gelände hoch zum Ausstieg mit Bh (auf dem Topo ist das falsch eingezeichnet, es geht NICHT nach rechts!).
>> 6a wäre wohl auch nicht falsch ;-)
Um 14.30 Uhr erreichten wir den Ausstieg, legten uns ins Gras und genossen die grandiose Alpenkulisse! Anschliessend hatten wir erneut in 3x über Zick-Zack zum Wandfuss abgeseilt. Im Café Le Paris in Interlaken gab es dieses Mal nur Kaffee (den Kuchen liessen wir gewichtsbewusst aus;-). Abends bei Bier und Pizza (das Gewicht somit wieder kompensiert;-) stellten wir das neue Tagesprogramm zusammen, es sollte eine etwas leichtere Tour zum ausklingen sein...
Bemerkungen
Die Sibiriade ist grundsätzlich gut abgesichert (v.a. an den Schlüsselstellen), in den leichteren Passagen sind trotzdem einige längere Runouts zu bewältigen und wir waren hier froh, einige Friends (Cam 0.4-1) dabei zu haben. Einige Schlingen zum verlängern unter den Dächern sind ebenfalls nützlich. Die Tour ist ziemlich hart bewertet und einen Zacken anspruchsvoller und anhaltender als der Floh - Kaspar Ochsner scheint am Tag der Erstbegehung einen Höhenflug gehabt zu haben... Abseilen kann man über die Route, besser aber über die Piste von Zick-Zack abseilen, in 3x50m zügig und bequem hinunter zum Wandfuss.
Die Klettereien am Hintisberg sind jenen am Ofen oder der Cheselenflue sehr ähnlich (Leisten, Dächer und Tropflöcher). Am Ofen wirken die brüchigen Bänder manchmal etwas störend, am Hintisberg sind diese nicht so zahlreich (die Fluh ist insgesamt kompakter). Und natürlich ist die Aussicht am Hintisberg einmalig. Somit gibts für den Hintisberg fünf Sterne, für den Ofen bloss vier.
Alle Routen sind meist gut gesichert (Keile und Friends sind nicht zwingend), trotzdem sind in den leichteren Seillängen manchmal etwas weitere Abstände zu bewältigen.
Taxe zum Befahren der Alpstrasse CHF 10.-- (bezahlen im Rest. Stalden oder beim Älpler)
Projekte:
- Floh 7b RP
- TNT 7a RP
- Ophrys 7a?
- Spectacolo 7b
Als Ausgangspunkt zu den Touren am Hintisberg diente uns der ruhige und wärmstens zu empfehlende Jungfrau-Camping in Unterseen (Interlaken).
Der Band Sportklettern im Berner Oberland von Hans Grossen ist seit 2010 im Buchhandel erhältlich, doch kam er mir erst kürzlich zwischen die Finger. Das Buch ist liebevoll gemacht und beschreibt nebst den bekannten Klettergebieten (wie dem Hintisberg) auch viele unbekannte Gebiete, versorgt den Leser mit vielen Hintergrund- und Detailinformationen, befasst sich mit der Erschliessungsgeschichte und stellt lokale Klettergrössen vor. Es ist jedem zu empfehlen, der im Berner Oberland gerne Fels unter die Finger kriegt, und nebst Routen konsumieren auch noch historisches zum Gebiet erfahren möchte.
Weitere Berichte zum Sportklettern am Hintisberg auf chmoser.ch.
![](https://www.chmoser.ch/Images/copy.jpg) |