Beschreibung | Rote Fluh - Auf der Suche nach Peter Pan 6c+, 6b obl., 8. Sl. (****), mit Roland
Die Routen von Michel Piola an der Roten Fluh gehörten zu den schönsten Sportklettereien im Berner Oberland, so steht es im Filidor-Führer (Schweiz extrem band 1) geschrieben. Steiler, scharfer Tropflöcherkalk lässt die Haut an den Fingern schon nach wenigen Seillängen dünner werden. A la recherche de Peter Pan ist eine sehr abwechslungsreiche Route, die im unteren Teil sehr technische Plattenkletterei, im mittleren Teil griffigen Hochgebirgskalk à la Wenden, und im oberen Teil den klassisch rötlichen, äusserst scharfen, wasserzerfressenen Rothornfels bietet. Die Wegfindung ist nicht immer einfach (wie der Routenname verlauten lässt) und das Topo muss zwischendurch immer mal wieder zu Rate gezogen werden. Die Tour ist gut mit Bh eingerichtet, die Hakenabstände sind jedoch eher weit und verlangen eine solide Vorstiegsmoral. Friends und Keile können kaum eingesetzt werden.
Start um 08.30 Uhr von Pkt. 1405m im Färmeltal zuerst durch die Alpwiese (schlecht markiert) und anschliessend auf dem Wanderweg hinauf zur Alp Bluttlig 1752m (Biwakmöglichkeit und Wasser). Nun weiter zuerst weglos durch steiles Gras, dann wieder auf Wegspuren hoch zum Wandfuss auf ca. 2100m, 09.45 Uhr. Um 10.15 Uhr sind wir in die Tour eingestiegen:
1. Sl. 6a (Le Voyage en Italie): Hübsche Plattenkletterei mit eher weiten Hakenabständen, eine solide Fusstechnik sowie Vertrauen in die Haftreibung sind hier Voraussetzung. Die Crux in dieser Sl ist die Überwindung des Bauches nach dem 3. Bh (den linken Fuss auf die Platte stellen).
>> Vom Stand in Gehgelände einige Meter horizontal nach links in die Nische gequert, zum gut sichtbaren Stand der Peter Pan.
2. Sl. 6b: Von der Nische etwas nach links klettern, dann steil und griffig hinauf über einen Bauch, den ersten Schlaghaken am besten mit einer langen Schlinge verlängern. Anschliessend folgt technische Reibungskletterei mit einem ziemlichen Runout, bevor eine nette Sanduhr gefädelt werden kann. Anschliessend quert man auf der feingriffigen Platte nach rechts ca. 8m bis zum nächsten Bh, nichts für schwache Nerven! Anschliessend sehr technisch und feingriffig an messerscharfem Fels nach oben und etwas links zum Stand, auch hier muss immer wieder einiges über den Bh geklettert werden!
>> Piola hatte hier einen fantastischen Riecher für diese Linie, chapeau!
>> Genau nach Topo klettern, sonst befindet man sich auf einmal in einer Riss-Variante oder im Salamandre!
3. Sl. 6b+: Super Steilplattenkletterei an messerscharfen, teilweise winzigen Tropflöchern zu Beginn, auch hier muss vom Stand weg gleich zünftig über den Haken gestiegen werden - anschliessend nach rechts weg in die Verschneidung und in teilweise athletischer Piazmanier steil hinauf bis zum Stand.
>> Nicht verpassen, vom Standplatz kann man sehr spektakuläre Bilder des Nachsteigers schiessen!
4. Sl. 6c: Super griffige und anhaltende Steilplattenkletterei, und im ersten Drittel auch sehr gut abgesichert (Crux). Anschliessend wird die Kletterei einen Tick leichter, dafür werden die Bh seltener und die Runouts immer weiter und weiter, unglaublich! Kurz vor dem Stand wird es dann noch einmal spannend, eine hübsche, fordernde Linksquerung mit Ausstieg an Wasserrillen wartet auf den ambitionierten Kletterer.
>> Extrem anspruchsvolle Seillänge, falls man die Bh nicht sieht, Topo konsultieren, man sollte sich in diesem Gelände nicht versteigen!
5. Sl. 6c+ (SSl): Nach einigen Aufwärmmetern folgt schon bald die gut gesicherte Crux, welche für einmal technisch geklettert werden kann (geht aber auch gut frei, wenn man die Griffe gefunden hat - nur nicht verzweifeln, sie SIND da...). Der folgende Aufschwung kann griffig, aber etwas exponiert rechts umgangen werden, bevor man sich dann wieder hart nach links hält und die ziemlich griffarme und anspruchsvolle Querung in Angriff nimmt. Zuletzt dann wieder griffiger und steil bis zum Stand.
>> Wahnsinns-Seillänge, bei der man sein ganzes Bewegungsrepertoire abrufen muss!
6. Sl. 6a+: Wer nun denkt er könne sich zurücklehnen, der hat sich leider schwer getäuscht: Erneut fordert diese Seillänge das ganze Bewegungsrepertoire, und es muss zünftig über die Haken gestiegen werden. Dafür wird man mit super Kletterei in bestem, griffigem und scharfem Rothornfels belohnt.
7. Sl. 6b: Nun wird die Kletterei etwas steiler, der Fels dafür noch schärfer - man braucht hier bloss noch seine Hände auf den Fels zu legen und es hält ;-) Vorsichtiges Klettern ist angesagt...
8. Sl. 6b: Schöne Abschlussseillänge in fetzenscharfem Fels, zuletzt etwas nach links klettern bis zum Ausstieg, ev. mit einigen Schlingen verlängern.
Um 17.00 Uhr stehen wir auf dem (Vor)gipfel des Rothorns und geniessen die wärmende Sonne, denn seit ca. 1h lag die Wand bereits im Schatten und es war somit ziemlich frisch. Anschliessend 6x zügig abgeseilt, und nur wenige Zeit später stehen wir bereits wieder unten am Wandfuss. Schnell packen wir unsere Sachen zusammen und steigen ab zur Alp Bluttlig - hier in der Sonne legten wir nun eine kurze Pause ein und genossen die herrliche Szenerie! Nun auf dem Wanderweg hinunter ins Färmeltal, wo wir kurz vor 19.00 Uhr eintreffen - 2h also vom Gipfel bis ins Tal, unglaublich! Nun blieb uns nur noch die weite Reise nach Hause in Flachland...
Bemerkungen:
Im Sommer hat die Wand von ca. 08.30 - 16.00 Uhr Sonne. Der turnschuhtaugliche Zustieg ist zwar stotzig, jedoch lange nicht so ausgesetzt wie der Wendenzustieg, und dauert in gemütlichem Tempo ca. 1.5h.
Mit 60m-Halbseilen kann beim abseilen der eine oder andere Stand übersprungen werden, trotzdem sollte man darauf bedacht sein, keinen Seilverhänger zu produzieren, es wäre wohl eine eher schmerzhafte Erfahrung, die Finger erneut an den Fels zu legen :-) Für Peter Pan braucht es KEINE zusätzlichen Sicherungsmittel, denn diese können sowieso kaum eingesetzt werden! Einzig ein paar Schlingen zum verlängern oder zum fädeln einer Sanduhr (siehe 2. Seillänge) sind sehr nützlich!
Die älteren Piola-Routen sind alle hart bewertet, sportlich gesichert und sehr anspruchsvoll - für Peter Pan zum Beispiel ist eher eine 6c zwingend zwischen den Haken zu klettern als eine 6b, zudem ist eine gute Vorstiegsmoral erforderlich, und die Schlüsselstellen können NICHT technisch gelöst werden!
Einen Überblick über die meisten Routen am Rothorn gewinnt man auf obsig.ch.
Der Band Sportklettern im Berner Oberland von Hans Grossen ist seit 2010 im Buchhandel erhältlich, doch kam er mir erst kürzlich zwischen die Finger. Das Buch ist liebevoll gemacht und beschreibt nebst den bekannten Klettergebieten auch viele unbekannte oder schwach frequentierte Gebiete (wie das Rothorn), versorgt den Leser mit vielen Hintergrund- und Detailinformationen, befasst sich mit der Erschliessungsgeschichte und stellt lokale Klettergrössen vor. Es ist jedem zu empfehlen, der im Berner Oberland gerne Fels unter die Finger kriegt, und nebst Routen konsumieren auch noch historisches zum Gebiet erfahren möchte.
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