Beschreibung | Skalpell 7b/7b+, 6c obl. 7 Sl. (****), mit Roland
(Rosenlauistock 2198m S-Wand und Breitenbodenturm Westkante)
Die Route Skalpell gilt als eine der schönsten und schwierigsten Routen im Gebiet. Alle Seillängen bieten herrlich steile Wasserlochkletterei und super Fels, die Tropflöcher sind stellenweise messerscharf und verlangen eine gewisse Schmerztoleranz. Die Route wurde 2009 saniert und kann nun auch von weniger extremen Gemütern angegangen werden. Trotzdem bleibt die Route auf allen Seillängen anspruchsvoll, auch die vermeindlich leichteren Seillängen verlangen stetig nach Aufmerksamkeit.
Um 08.30 Uhr sind wir in Rosenlaui Pkt. 1360m (gilt als kleinste Ortschaft der Schweiz) Richtung Rosenlauistock 2198m aufgebrochen. Zuerst den Wanderweg Richtung Engelhornhütte verfolgt, bis dieser auf ca. 1750m (beim Schuttfeld, welches rechts von Platten begrenzt ist) nach rechts steil verlassen wird (Steinmann). Nun den Wegspuren folgend, einige plattige Stufen erkletternd (Bh) bis an den Fuss des Rosenlauistocks aufgestiegen, die letzten Meter dem Couloir entlang sind etwas heikel und verlangen erhöhte Vorsicht (insgesamt ist dieser Zustieg wohl mindestens mit T5 zu bewerten). Ankunft im Hotel Rosenlauistock um 09.40 Uhr :-)
Nach ausgiebigem Carbo-Preload und gehörigem Flüssigkeits-Konsum sind wir um 10.15 Uhr ohne Gepäck in die Route eingestiegen:
1. Sl. 6b: Nach gemütlichem, griffigem Start folgt gegen Ende eine gut gesicherte Einzelstelle an kleinen, scharfen Leisten und Sloper - dies ist im Schatten mit klammen Fingern gar nicht mal so einfach zu klettern!
2. Sl. 7a+: Sehr anhaltende, etwas unübersichtliche Ausdauerkletterei an feinen Leisten und Sloper. Gleich zu Beginn folgt ein harter Boulderstart: Von Seit- und Untergriffen links mit rechts an Sloperleisten, mit links 3. Bh. klippen, mit beiden Füssen hochstehen und mit links zuerst an eine schlechte Leiste und gleich noch an eine bessere Leiste weiterschnappen. Von hier kann geschüttelt und der 4. Bh. geklippt werden. Anschliessend folgt etwas unübersichtliche Ausdauerkletterei, beim Bauch mit einem versteckten Seitgriff dann etwas nach links klettern bis zum erlösenden Henkel. Hat man die Sequenz einmal draussen ist es gar nicht mehr so schwierig.
>> Hatten etwas gewartet vor dem klettern bis die Sonne den Fels erwärmte und die Finger auftaute...
>> Im Nachstieg mit einem Hänger durchstiegen, eine Rotpunktbegehung würde hier sicher drinliegen.
3. Sl. 6a+: Sehr schöne Kletterei an kleinen und grossen Tropflöchern, nach einer schönen und fotogenen Rechtsquerung verläuft die Seillänge wieder gerade hoch, wo dann auch eine trickreiche Einzelstelle wartet. Danach wieder leichter und griffiger zum Stand (gemeinsam mit Kadenz).
>> Könnte auch bei 6b einchecken...
4. Sl. 6c: Start zusammen mit Kadenz, dann aber nach rechts weiter zum 1. Bh. Nachdem der 2. Bh geklippt wurde, am besten etwas rechts herum klettern und mit rechts an den gut sichtbaren Griff hochschnappen. Nachdem der 3. Bh. geklippt wurde, mit links an einen Untergriff, nach links rausspreizen und mit rechts hoch an eine Leiste greifen. Nun noch etwas dranbleiben, bis man den Henkel und Schüttler bei der Sanduhr erreicht hat. Vom Bolt dann noch etwas gerade hoch, bevor dann eine super Rechtsquerung an Schlitzen und Tropflöchern folgt. Was zuerst einfach ausschaut, entpuppt sich aber erneut als ziemlich trickreich, klasse Seillänge!
5. Sl. 6b+: Sehr schöne, abwechslungsreiche und technische Seillänge an messerscharfem Fels! Zuerst erfolgt eine tricky Linksquerung (tief bleiben hilft), bevor es dann gerade hoch und griffig nach rechts zurück geht. Weiter nach rechts ums Eck folgt erneut eine knifflige Stelle, bevor die Kletterei dann etwas steiler, dafür griffiger und leichter wird bis zum Stand (Bergführerbänkli).
>> Langsame und überlegte Bewegungen helfen, um die Finger zu schonen und nicht unnötig Haut liegen zu lassen!
6. Sl. 7b/7b+: Boulderstart an feinen Leisten und Tropflöchern, die Crux dann ein weiter Zug nach links und an scharfen Tropflöchern über den Bauch - voll in die Löcher reinhängen war angesagt, autsch tat das weh! Die folgende Rechtsquerung (eher tief bleiben) ist dann glücklicherweise wieder etwas leichter.
>> Fand ich irgendwie sauschwer, im Klettergarten würden diese Schwierigkeiten wohl bei 8a einchecken (oder wir waren einfach schon zu müde)! Keine Chance jedenfall für eine Rotpunktbegehung heute... Chapeau an diejenigen, welche diese Seillänge (vor der Sanierung) mit nur 3 Bh. onsight kletterten - gäll Mike ;-)
7. Sl. 6a+: Eine weitere schöne Seillänge zum Schluss, welche man auch nicht gerade hochrennen kann und v.a. auch nicht sollte, möchte man das Top doch möglichst ohne blutige Finger erreichen :-)
Um 14.45 Uhr erreichten wir den Ausstieg. Den Plan, noch eine weitere Route anzuhängen, verwarfen wir sogleich, da bestand 100%ige Einigkeit. Die Muskeln waren müde nach drei Tagen klettern, und die Finger schmerzten - Skalpell - Nomen est omen! Aber immerhin: Bis auf die zwei schweren Seillängen konnte ich alles onsight-, resp. flash klettern. Bei der ersten Schlüsselseillänge würde eine Rotpunktbegehung durchaus drinliegen, bei der zweiten Schlüsselseillänge hätte ich jedoch etwas mehr zu kämpfen. Aber so weiss man zumindest wofür man hart am trainieren ist ;-)
Das abseilen über Kadenz verlief wie gewohnt schnell und problemlos, wobei man an der einen oder anderen Stelle einen Express einhängen muss, um nicht verloren in der Luft zu baumeln... Um 15.40 Uhr erreichten wir wieder das Hotel Rosenlauistock, genossen den erfrischenden Schluck aus der Wasserflasche und den herzhaften Biss ins leckere Sandwich. Nachdem wir unsere Sachen verstaut hatten machten wir uns an den Abstieg, und bereits 40 Minuten später standen wir auf dem Parkplatz in Rosenlaui und blicken noch einmal empor zum Rosenlauistock - es ist immer wieder erstaunlich, zu welcher Leistung der Mensch imstande ist...
Bemerkungen:
Der Zu- resp. Abstieg zum Rosenlauistock kann bei Nässe etwas heikel sein, gute Schuhe sind hier von Vorteil!
Mit 60m-Halbseilen erreicht man mit 5x abseilen den Wandfuss. Für die Route sind 12 Exen mitzunehmen, es ist kein zusätzliches Material notwendig. Die Tour ist insgesamt einen Tick anhaltender und anspruchsvoller als die Nachbarroute Kadenz, nicht nur die was die Maximalschwierigkeiten anbelangt...
Die Sonne scheint erst relativ spät an die Wand, anfangs September erreicht die Sonne erst gegen 11.00 Uhr den Wandfuss, dafür wird sie bis 17.30 Uhr von der Sonne beschienen.
Der Band Sportklettern im Berner Oberland von Hans Grossen ist seit 2010 im Buchhandel erhältlich, doch kam er mir erst kürzlich zwischen die Finger. Das Buch ist liebevoll gemacht und beschreibt nebst den bekannten Klettergebieten (wie den Engelhörnern) auch viele unbekannte Gebiete, versorgt den Leser mit vielen Hintergrund- und Detailinformationen, befasst sich mit der Erschliessungsgeschichte und stellt lokale Klettergrössen vor. Es ist jedem zu empfehlen, der im Berner Oberland gerne Fels unter die Finger kriegt, und nebst Routen konsumieren auch noch historisches zum Gebiet erfahren möchte.
Im Auswahl-Kletterführer Klettern in der Schweiz von Matteo della Bordella, welcher seit 2012 im Buchhandel erhältlich ist, sind die wichtigsten und bekanntesten, aber auch weniger bekannten Klettergebiete der Schweiz enthalten. Beschrieben werden sowohl Mehrseillängenrouten als auch Baseclimbs in verschiedenen Klettergärten, die Schwierigkeitsbereich der Wege reicht von mittleren bis zu höchsten Graden. Darin sind natürlich auch die Engelhörner enthalten.
Weitere Berichte zu Klettertouren in den Engelhörnern auf chmoser.ch.
![](https://www.chmoser.ch/Images/copy.jpg) |