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 | Tourendetails Wägital Rundtour |
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Tourenart | Bergwandern |
Datum | 11.08.2011 |
Region | |
Kartennummer | SAC Zentralschweizerische Voralpen, SAC Alpinführer Glarner Alpen, 1133 Linthebene, 1153 Klöntal |
Link zum Kartendienst |  |
Anforderung | T6, III |
Besucherandrang | Schwach frequentiert |
Kondition | A |
Distanz | 39km
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Höhenmeter | 5000m 5000m |
Gipfel erreicht? | Ja |
Bewertung (Erlebniswert) | Deluxe! |
Beschreibung | Wägital Rundtour
(Der Tag erwacht im Wägital)
Prolog
Die Motivation, mich an die Wägitaler Überschreitung zu wagen, war aus einer lange andauernden und zeitweilig frustrierenden Kletterverletzung entstanden. Ich sah mich gezwungen, nach alternativen Outdoor Aktivitäten Ausschau zu halten, und fand schnell den Gefallen an anspruchsvollen Bergwanderungen und atemberaubenden Bergläufen, und so formte sich schliesslich der Gedanke zum Unterfangen Wägital Rundtour. Diese Monstertour wäre doch ein ambitioniertes Projekt, welches trotz schon einiger erfolgreicher Wiederholungen nicht so leicht zu haben wäre. Hier würde ich meine persönlichen Grenzen ausloten können! Gilt es doch, nebst den physischen Anforderungen auch so einige technische Passagen zu meistern, welche zusätzlich die mentale Stärke voraussetzen, sich alleine in anspruchsvollem Kraxelgelände zu bewegen. Ich hatte somit die Not zur Tugend gemacht und den Entschluss gefasst, dieses Mega-Projekt mit der nötigen Seriosität anzugehen. Für mich auch ideal, da das Wägital von zuhause relativ schnell erreichbar war, und ich dazu keine (Seil)Partner brauchte.
Vorbereitung
Die einen haben es lieber spontan, andere wiederum wollen nichts dem Zufall überlassen, und gehen mit der nötigen Sorgfalt ans Werk. Ich gehöre eher zur zweiten Kategorie, und verbrachte deshalb einige Zeit mit der Vorbereitung und Planung. Theoretisch hiess dies Karten und Routen studieren, Foren-Einträge lesen, Fotos anschauen, Zeitplan und Taktik festlegen. Praktisch musste natürlich die Fitness auf Vordermann gebracht werden, mittels Laufeinheiten 3-4x wöchentlich, Höhenmetertrainings auf Ski- und Wandertouren, Bergläufen und Wanderungen mit Zusatzgewicht :-) Dann natürlich diverse Rekotouren im Wägital (siehe weiter unten) und das Einrichten der Wasserdepots vor einem Monat.
Ausrüstung
Diese ist natürlich individuell und macht keinen Sinn hier aufzulisten, einige Dinge waren allerdings Gold wert:
- Sponserpulver abgepackt, einige Gels und Powerbars
- Sonnenhut, Sonnencrème
- Ersatzsocken
- Pickel
- Stöcke
- Stirnlampe
- Gps
- iPod
Zeitplan/Zeitmanagement
Durch meine Rekotouren hatte ich eine gewisse Vorstellung und Erwartung, wie lange ich für die gesamte Rundtour brauchen würde. Bis zur Oberalp (Kilometer 22) hatte auch alles super gepasst, ja ich war sogar mehr als eine Stunde unter Zeit, doch anschliessend war meine Planung etwas dilettantisch, da ich für den restlichen Abschnitt die müden Beine zu wenig berücksichtigte, und so büsste ich bis zum Ende fast den ganzen Vorsprung wieder ein, aber so erreichte ich das Ziel wenigstens Just in time!
Fixe Trinkstellen/eingerichtete Wasserdepots
- Eingefasste Quelle südlich des Zindlenspitz, etwas unterhalb Pkt. 1966m
- Wasserdepot im Kessel zwischen Rederten- und Mutteristock
- Brunnen bei Pkt. 1781m westlich des Ochsenchopfs
- Oberalp Pkt. 1490m (nur wenn das Vieh nicht auf der Alp ist)
- Fluebrig (nur wenn die Schafe nicht auf der Alp sind), ev. Alpwirtschaft
- Wasserdepot Schlänggen Pkt. 1369m
Taktik
Von Beginn weg so viel essen und trinken wie möglich, denn der Appetit schwindet gewöhnlich mit der Zeit, der Durst aber wird bleiben... Die Kräfte sollten sicherlich etwas eingeteilt werden, doch wollte ich nicht trödeln, langsamer werden würde ich noch genug früh. Die Pausen möglichst kurz halten. Die Gipfel, welche auf der Aufstiegsroute wieder abgestiegen werden ohne Rucksack in Angriff nehmen. Lange Abstiege mit Wanderstöcken.
Der Tag X
Für den heutigen Donnerstag wurde endlich wieder einmal stabiles Hochdruckwetter pronostiziert, eine Grundvoraussetzung für diese Unternehmung! Es sollte nicht allzu heiss werden, und es würde zudem ein leichter Wind wehen, perfektes Wanderwetter also! Obwohl Motivation und Enthusiasmus nicht mehr ganz so gross waren wie auch schon, wollte ich es probieren - "wenn nicht jetzt, dann nie", sagte ich mir...
Ursprünglich hatte ich die Wägital-Rundtour inkl. Chöpfenberg und Tierberg N-Flanke geplant; aber da ich auf Grund der SOLA-Duo im Juli für einige Wochen ausser Gefecht gesetzt war, und die Tage nun bereits markant kürzer wurden, sah ich mich gezwungen kleinere Brötchen zu backen, und mich mit der Light-Version (20 Gipfel) zufrieden zu geben. Die Diskussion, welche Gipfel nun zu den Wägitaler zählen und dabei sein sollten, und welche weggelassen werden können, empfand ich von vornherein als müssig, waren die Begehungen doch schon seit jeher verschieden und individuell (siehe Geschichte der Wägitaler Überschreitung).
Nach einer recht erholsamen Nacht fuhr ich somit frühmorgens nach Innerthal. Beim See angekommen gleich rechts über die Staumauer, und das Auto beim Schrähhoger Pkt. 904m parkiert. Noch einmal überprüfte ich die Ausrüstung, bevor es um 04.52 Uhr endlich losgehen konnte!
Brüschstockbügel 1489m
Mit dem Velo im Stirnlampenlicht bis Heuboden Pkt. 906m, dann der asphaltierten Alpstrasse folgend bis zum Gwürzwald Pkt 1101m hinauf. Nun durch den düsteren Gwürzwald bis zur Alp Gwürz 1263m, von da weglos und matschig über Kuhweiden auf den Brüschstockbügel 1489m (T2). Der Tag erwachte so langsam im Wägital, und gab die Silhouette unzähliger Gipfel Preis, was für eine Stimmung!
Bockmattli 1932m
Abstieg zur Schwarzenegghöchi Pkt. 1379 und frischen Schrittes durch die Chälen Richtung Bockmattlipass Pkt. 1809m hochgestiegen. Kurz unterhalb den Rucksack deponiert und im goldenen Morgenlicht in wenigen Minuten auf den Gipfel des Bockmattli 1932m (T2).
Schiberg S-Gipfel 2043m
Abstieg zum Bockmattlipass und problemlos via Schneeschmelzipfad in die Furgge Pkt. 1927m (T4). Ohne Rucksack in wenigen Minuten auf den S-Gipfel des Schibergs 2043m (T3).
Plattenberg 2082m
Rascher Abstieg zur Furgge, und nach kurzer Pause weiter zum Plattenberg. Der kurze Anstieg durch die W-Flanke ist steil aber problemlos, und so stehe ich schon bald auf dem schönen Gipfel, welcher nordseitig steil nach Ahornen abfällt (T4).
Brünnelistock 2133m
Abwechslungsreiche und kurzweilige Etappe. Der Abstieg vom Plattenberg zuerst einige Meter dem E-Grat folgend bis zum Abbruch, welcher südseitig umgangen werden muss. Anschliessend mehr oder weniger immer dem Grat folgend bis zum Mürli (T4) gewandert. Weiter nun zuerst eine Grasflanke hoch, dann über einen Gemswechsel Richtung Pkt. 2075m, bald aber nach SW abgedreht und Wegspuren folgend hinauf zum NE-Grat des Brünnelistocks. In leichter, anregender Kletterei über den Grat bis zum Gipfel. (T5)
Rossalpelispitz 2075m
Rascher Abstieg über den SW-Grat zu Pkt. 1990m (T4) und weiter auf dem Wanderweg bis kurz unter den Gipfel des Rossalpelispitz (T3), die letzten Meter einem Drahtseil folgend bis zum höchsten Punkt (T4). Kurze Verpflegungspause.
Zindlenspitz 2097m
Schneller Abstieg vom Rossalpelispitz zu Pkt. 1902m, dann über den NE-Grat des Zindlenspitz bis zu Pkt. 1966m. Den Rucksack deponiert, und in wenigen Minuten über die SE-Flanke bis kurz unter den Gipfel, welcher zuletzt in leichter Kletterei über einige Felsen erreicht wird (T4). Für einmal war der Zindlenspitz (noch) einsam und verlassen.
Lachenstock 2027m
Umgehend wieder zu Pkt. 1966m abgestiegen und weglos über den N-Grat bis zum höchsten Punkt des Lachenstocks 2027m (T4).
Redertenstock 2295m
Etwas weite, unspektakuläre Wanderung dem Redertengrat folgend bis auf den Wintergipfel Pkt. 2215m. Hier einige Kohlehydrate nachgeschoben (in flüssiger und halbflüssiger Form), bevor ich mich an den Anstieg durch die Redertenstock N-Flanke machte. Der untere Abschnitt wie beim letzten Mal, im oberen Abschnitt dann nicht nach links dem Querband gefolgt, sondern gerade weiter, in leichter Kletterei über Gras und einige gestufte, meist solide Felsen, bis auf den E-Grat hinauf (für den Abstieg kann es ratsam sein einige Steinmänner zu errichten, welche die Wegfindung im etwas unübersichtlichen Gelände erleichtern). Über den E-Grat in wenigen Schritten zum rustikalen Kreuz (T6, II).
Mutteristock 2294m
Dank der zuvor errichteten Steinmänner hatte ich den Abstieg gut gefunden, und gelangte in wenigen Minuten wieder sicher an den Wandfuss. Nun das Geröllfeld unter der N-Flanke hindurch gequert bis in den Kessel zwischen Rederten- und Mutteristock. Dank der roten Markierung hatte ich das zuvor errichtete Wasserdepot auf Anhieb gefunden, und konnte mich so wieder mit dem kostbaren Nass eindecken. Nach einer gäbigen Pause machte ich mich auf zur nächsten Crux, dem Anstieg durch die Mutteristock N-Flanke. Das letzte Mal hatte ich die rechte Rinne gewählt, da diese etwas zugänglicher ausgeschaut hatte. Um etwas Abwechslung ins Spiel zu bringen, wollte ich es dieses Mal durch die Rinne links davon wagen. Die Sache schaute letztendlich viel wilder aus als sie war, mit etwas Gespür war die Ideallinie gut zu finden, die wenigen Kletterstellen sind kurz und der Fels solide. Im Gegensatz zum rechten Couloir gab es hier auch keine Plattenstelle. Wenige Minuten später stand ich somit auf dem Gipfel des Mutteristocks 2294m (T6, III).
Ochsenchopf 2179m
Einmal mehr hatte ich mich sogleich wieder an den Abstieg gemacht. Via Torberglücke bis auf ca. 1980m hinunter, anschliessend Richtung SW über Karstgelände bis zur Lücke 2065m bei Chammli, am Fusse des Ochsenchopf E-Grates, aufgestiegen (T5). Hier nun spürte ich zum ersten Mal, dass ich nicht mehr ganz so frisch war, und hatte desshalb eine weitere kleine Ess- und Trinkpause eingelegt. Bald schon machte ich mich aber wieder auf die Socken, und stieg problemlos über die drei exponierten Aufschwünge auf den höchsten Punkt des Ochsenchopfs 2179m. Dieses Mal fühlte ich mich sicher und liess den Pickel auf dem Rucksack, was letztendlich eine gute Entscheidung war. Der Grat lässt sich sehr gut ohne Pickel begehen (T6, II). Während ich am 3. Aufschwung unterwegs war, hatten mich drei neugierige Gemsen von oben herab beobachtet, was für ein Schauspiel, ein wunderbares Erlebnis!
Gross- und Chli Wannenstöckli 1988m und 1987m
Vom Ochsenchopf nun südseitig abgestiegen bis zum Brunnen bei Pkt. 1781m (Normalroute, T4). Hier bestünde die Möglichkeit sich zu erfrischen, ich hatte aber noch genug Flüssigkeit dabei und konnte getrost darauf verzichten. Somit gleich weiter bis zum Ausläufer des Gross Wannenstöckli NE-Grates aufgestiegen. Nun ziemlich steil über den Grat bis auf den verwilderten Gipfel des Gross Wannenstöcklis 1988m geklettert (T5). Auch hier gab's noch keine Pause, diese war erst für die Oberalp vorgesehen. Somit weiter vom Gross Wannenstöckli in wenigen Minuten hinüber zum Chli Wannenstöckli 1987m (T3). Nun mehr oder weniger der Gratkante folgend, auf schwachen, nicht immer auffindbaren Wegspuren, in beinahe mediteraner Vegetation, hinunter zu Pkt. 1824m. Nun über die Weiden der Oberalp hinunter zu Pkt. 1490m.
Gantspitz 1970m
Nachdem ich mich hier wieder etwas gestärkt hatte, machte ich mich auf Richtung Ganthöchi 1824m. Nur schon vom Anblick der steilen, von der Sonne beschienenen E-Flanke bekam ich regelrechte Schweissausbrüche und die Beine wurden bleischwer - ob ich das überhaupt schaffen würde? Tja, es blieb mir nichts anderes übrig als es zu versuchen. Der erste Abschnitt über den Lawinenkegel bis zum steilen Aufschwung war zwar anstrengend, das Gras und die Blumen standen unterdessen mannshoch, doch bekundete ich weniger Mühe als angenommen, und stand schon bald unter der Schlüsselstelle. Letztes Mal stieg ich hier direkt durch das steile Gras hoch, was ziemlich unangenehm heikel war und den Pickel unabdingbar machte. Dieses Mal versuchte ich es etwas weiter links in den Felsen, und diese Variante war doch um einiges zugänglicher, denn die Felsen waren hier griffig und mehrheitlich fest, und ich kam ohne Schwierigkeiten durch. Schon bald hatte sich das Gelände bereits wieder zurückgeneigt und wurde etwas leichter, aber nicht weniger anstrengend zu begehen. Durch das undefinierte Gras-Fels-Gemisch hatte ich mich, nun auch von Krämpfen geplagt, zur Ganthöchi hochgekämpft (T6, II). Nachdem sich der Puls etwas beruhigen konnte, stapfte ich weiter gegen den Gantspitz. Der Höhenmesser war unerbittlich und liess sich nicht lumpen, die Krämpfe in den Beinen zeugten von akutem Nährstoffmangel und Übersäuerung! Doch irgendwie schaffte ich es schliesslich doch noch auf den Gipfel und war froh, eine weitere Etappe hinter mir zu haben (T2). Nun musste ich mich aber erstmal hinsetzen und die Beine strecken, das war bitter nötig!
Turner 2069m
Es nutzte nichts, gerne wäre ich noch länger gesessen, doch ich musste weiter, der Weg war noch lang und beschwerlich. Ich merkte allerdings auch, dass mein Kopf so ziemlich leer war, ich konnte keine tiefgreifenden Gedanken mehr fassen, wenn ich wenigstens die Konzentration aufrechterhalten könnte! Ich liess es somit langsam angehen und arbeitete mich Schritt für Schritt über den N-Grat. Die technischen Schwierigkeiten resp. Schlüsselstellen hatte ich hier bereits genaustens beschrieben, zu ergänzen gibt es vielleicht noch dies: Nach der ersten Begehung hatte ich mir gedacht, dass ich von Pkt. 1877m direkt über den Grat absteigen könnte (da Wegspuren von unten sichtbar waren). Als ich nun aber ein weiteres Mal dort oben stand, musste ich mir erneut eingestehen, dass über diesen extrem ausgesetzten Grat niemals absteigen/abklettern würde! Somit bin ich wieder einige Meter zurück, und hatte diese Stelle einmal mehr über die steile W-Flanke umgangen, was in der Tat auch ziemlich heikel war und meine vollste Konzentration erforderte. Dummerweise bekam ich, als ich so gespreizt dastand, die Haue des Pickels im Dreck versenkt, einen Krampf im Bein, und durfte trotzdem nicht lockerlassen. Doch irgendwie überstand ich die Attacke, und rettete mich schliesslich in den zunehmend buschigeren Abschnitt der Flanke, wo ich endlich wieder etwas durchatmen konnte. Der Abstieg von Pkt. 1944m indes war dieses Mal etwas gäbiger, da ich mich an die von der Gegenseite sichtbaren Wegspuren erinnerte, und diese auf Anhieb finden konnte. Aber auch hier war der Pickel ein wertvolles Utensil. Der Rest des Grates war mehr oder weniger problemlos, aber dennoch never ending... (T6, I). Doch langsam aber stetig kam ich vorwärts, irgendwie, und erreichte die Lücke Pkt. 1875m (Firsten). Nun galt es ein letztes Mal alle Kräfte zu sammeln, und die nicht einmal 200hm auf den Turner unter mich zu bringen. In den Stöcken hängend, von Krämpfen geplagt und krampfhafte Selbstgespräche führend, quälte ich mich die S-Flanke hoch. Schweissgebadet erreichte ich letztendlich den Grat und alsbald den Gipfelstein des Turner 2069m, ein weiterer Meilenstein (der vorletzte) war geschafft (T2)! Erneut musste ich mich hinsetzen und die Beine strecken, und einige kräftige Schlücke aus der Flasche nehmen, zum Glück hatte ich Wasser im Überfluss! Essen konnte ich dagegen nicht viel, da ich kaum etwas runterbrachte, Energierigel und Gels konnte ich nicht mehr sehen, aber das konnte warten. Nicht warten konnte der Anruf nach Hause, um den Liebsten mitzuteilen, dass die Schlüsselstellen nun vorbei waren, und jetzt nur noch ein bisschen Ausdauer gefragt sein würde. Was für eine Ironie, immerhin galt es ja noch sechs Gipfel zu besteigen, 1000hm und 13km zu absolvieren!
Diethelm 2093m
Erstaunlicherweise konnte ich mich auf dem Turner wieder schnell und gut erholen, und mich schon bald über den Grat Richtung Diethelm aufmachen. Am Fusse des Gipfelaufbaus, kurz vor der Leiter, hatte ich den Gegenverkehrt abgewartet und die Zeit genutzt, um meine tief im Rucksack schlummernden Ersatzsocken auszupacken. Mit trockenen Socken und ohne Gepäck blies ich zum Gipfelsturm. In wenigen Minuten erreichte ich das Kreuz, und in der gleichen Zeit war ich auch schon wieder unten beim Rucksack angelangt (T4).
Wyss Rössli 2018m
Mit scheinbar frischem Elan ging's gleich weiter Richtung Wyss Rössli. Zuerst auf dem rot-weiss markierten Wanderweg hinunter zur Lücke. Pkt. 1942m, dann wieder einmal ohne Rucksack an den Fuss der schuttigen Wyss Rössli NW-Flanke. Die Stöcke legte ich indes nicht mehr aus der Hand, welche mir auch bei diesem Anstieg die Beine etwas zu entlasten vermochten. So erreichte ich, wenn auch nicht grade in Bestzeit, aber dennoch ansprechendem Tempo den 16. Gipfel (T4).
Chli Mutzenstein 1504m
Abstieg vom Wyss Rössli zurück zum Rucksack (T4), und weiter über die Alp Fluebrig hinunter nach Schlänggen Pkt. 1369m (T2). Wenn die Alp bewirtschaftet ist (was heuter der Fall war), bestünde die Möglichkeit, sich mit kühlem Nass einzudecken. Für mich war dies nicht nötig, da bei Pkt. 1369m eine weitere Getränkeschwemme auf mich wartete, sofern sie denn noch da war. Sie war glücklicherweise noch da, und wenig später konnte ich einen prall gefüllten Wasserbauch mein Eigen nennen. Und auch der Appetit war zurückgekehrt, so schaffte ich es tatsächlich ein ganzes Sandwich zu verdrücken. Und ich zog den iPod aus der Tasche, welcher mir den Weiterweg erleichtern sollte. Nicht mit pushender Heavy-Metal Musik, wie ich es normalerweise bevorzugen würde, sondern mit ruhigem Downtempo Sound, welcher mich über die Hügel tragen würde. So ging es also weiter, via Fläschli Pkt. 1347m auf den Chli Mutzenstein 1504m, der Schlussanstieg natürlich wieder ohne Rucksack. Beim Kreuz angelangt musste ich mich Schrecken feststellen, dass der ganze Gipfelkopf von einer Ameisenkolonie eingenommen war (das war vor einem Monat noch nicht der Fall), sich dort aufzuhalten war unmöglich! Fluchtartig stürmte ich hinunter an den Fuss des Chli Mutzenstein.
Rosenhöchi 1507m
Nun ging es weiter, begleitet von Massive Attack, durch das Hochmoor leicht ansteigend Richtung Rosenhöchi (T2). Spätestens hier war ich wieder froh, meine schweren Bergstiefel anzuhaben, die Turnschuhe hätte ich wohl einige dutzend Male im Sumpf versenkt.
Nüssen 1524m
Von der Rosenhöchi ging es dem Kamm folgend hinunter zu Pkt. 1440m, bevor es auf der Gegenseite wieder ansteigend zum Kreuz des Nüssen hochging. Das Kreuz steht nicht am höchsten Punkt, doch dieser lag glücklicherweise auf dem Weg Richtung Gross Aubrig (T2).
Gross Aubrig 1695m
Endlich konnte ich zum Finale blasen. Noch einmal hiess es durchbeissen und alle Kräfte mobilisieren. Doch irgendwie war es ziemlich locker, mit einem 13er Schnitt konnte ich auf den Gipfel steigen. Und so erreichte ich um 19.30 Uhr das Kreuz, und konnte den stillen Erfolg geniessen. Ich hatte es nun nicht eilig, sondern liess mir die rund um den See mitgetragenen Nussstengel schmecken, und blätterte ein wenig im Gipfelbuch, so konnte ich auch Marcel's Eintrag seiner Begehung finden. Nun denn, ich sollte ja trotzdem noch die Ziellinie überqueren, so packte ich meine sieben Sachen und machte mich an den Abstieg. Diesen hatte ich in sehr schlechter Erinnerung, doch ich war positiv überrascht. Das Vieh hatte seine Dienste geleistet, das hohe Gras war unterdessen kurzgefressen und der Wanderweg frei. Das Gelände war nun mehrheitlich trocken und weniger verschlammt als vor einem Monat. So erreichte ich in etwas weniger als einer Stunde den Schrähhoger Pkt. 904m und mein Auto.
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Nachdem Gps ausgeschaltet, und meine dreckigen Sachen in Plastiksäcken verstaut waren, galt es noch den Drahtesel aufzuladen, bevor ich mich auf die bequeme Heimreise machte. Der Vitamin-C Schuss sollte mich für die nächste Stunde wach halten. Wenig später, nach einer langen, erfrischenden Dusche und einem kleinen Abendbrot, legte ich mich schon bald schlafen, doch fand ich die ganze Nacht hindurch keine Ruhe, Arme und Beine zuckten im 10-Sekunden-Takt.
>>> Die Beschreibung einiger Etappen wurde hier bewusst knapp gehalten, sofern sie nicht besonders erwähnenswert waren. Detaillierte Angaben zu den einzelnen Anstiegen finden sich in folgenden Berichten (Rekotouren):
- Rundtour Wägital-Ost (vom Schiberg zum Lachenstock)
- Rundtour Wägital-Ost (vom Chöpfenberg zum Schiberg)
- Rundtour Wägital-West (vom Gantspitz zum Gross Aubrig)
- Rundtour Wägital-Süd (vom Redertenstock zum Wannenstöckli)
- Redertenstock N-Flanke (Einrichten der Wasserdepots)
Die Schlüsselstellen (absteigend nach Schwierigkeit/Ernsthaftigkeit sortiert)
1) Nordgrat vom Gantspitz zum Turner (T6, I)
>> Obwohl technisch nicht der schwierigste Abschnitt, ist die Begehung doch sehr heikel und verlangt grösste Aufmerksamkeit und Vorsicht! Hinzu kommt, dass man zum Zeitpunkt der Begehung physisch und geistig auch nicht mehr ganz auf der Höhe ist.
2) Mutteristock N-Flanke (T6, III)
>> Technisch der schwierigste Anstieg, durch eine der beiden Rinnen. Der Fels ist fest und die Kletterstellen schön!
3) Redertenstock N-Flanke (T6, II)
>> Technisch nicht ganz so schwierig, dafür etwas brüchig, unübersichtlich und exponiert. Im Aufstieg ist es hilfreich, einige Wegpunkte mit Steinmännern zu markieren, so findet man den Weg auch im Abstieg problemlos.
4) Ganthöchi E-Flanke (T6, II)
>> Die Flanke ist im unteren Abschnitt ca. 50° steil und heikel, wenn man etwas nach links in die mehrheitlich soliden Felsen ausweicht geht's aber ganz gut. Nach oben legt sich das Gelände etwas zurück, trotzdem immer noch T6.
5) Ochsenchopf E-Grat (T6, II)
>> Steiler und überaus luftiger Anstieg, dafür erstaunlich gut gangbar, ohne der Ausgesetztheit eher T5.
6) Brünnelistock NE-Grat (T5)
>> Kurze Kletterstelle am Grat kurz vor dem Gipfel, im unteren Abschnitt kommt man mit T5 durch, man könnte es aber auch schwieriger haben.
7) Wannenstöckli NE-Grat (T5)
>> Kurzer, aber trotzdem ziemlich steiler Anstieg über den Grat, vergleichbar mit dem Ochsenchopf, nur nicht ganz so exponiert, könnte somit auch als T6 durchgehen.
Epilog
Tag 2 nach der Rundtour. Erstmal bin ich sehr zufrieden, das alles so glatt und reibungslos über die Bühne ging, und ich bin froh, die Wasserdepots nicht vergebens eingerichtet zu haben (schlussendlich hatte ich 6 Liter Wasser und 3 Liter Sponser getrunken, mit etwas weniger wäre ich auch durchgekommen). Die optimale Vorbereitung und Planung, die gewählte Taktik, Zeitmanagement, usw. hatten zum erfolgreichen Gelingen beigetragen! Die Ersatzsocken liessen mich blasenfrei durchkommen, und der iPod sorgte für Abwechslung während der letzten Stunden! Der Muskelkater hält sich in Grenzen und ich fühle mich wieder ganz gut, obschon ich morgen nicht gleich wieder auf eine Monstertour gehen bräuchte ;-)
Was könnte man besser machen
Eigentlich hatte von A-Z alles gepasst an diesem Tag, die Begehung war nahezu perfekt! Um Kräfte zu sparen und Tempo zu machen wären allenfalls leichtere Halbschuhe angebracht gewesen (Trekkingschuhe oder Trailrunner, ich war mit schweren, kantenstabilen Wanderschuhen unterwegs). Diese hätte ich wohl aber 100x im Schlamm versenkt oder gar verloren. Und für die Abstiege sind die hohen Wanderstiefel natürlich auch sicherer.
Die Zeiten:
Total benötigte ich 15h50min für 5100 Höhenmeter und 38.5km Distanz, Detaillierte Angaben sind auf der Marschtabelle ersichtlich.
Anmerkung: Die Diskrepanz zwischen dem Höhenprofil (Grafik unten) und der Marschtabelle besteht desshalb, da das Profil direkt vom (bereits bereinigten) Gps-Track stammt, dort aber die Höhenangaben nicht immer exakt waren (Der Redertenstock beispielsweise mass 2271m anstatt 2295m). In der Marschtabelle hatte ich diese Unterschiede bereinigt.
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GPS-Profil
GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte der gesamten Tour können hier heruntergeladen werden (gpx file).
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Bemerkungen:
Details zur Geschichte der Wägitaler-Überschreitung.
Nachdem sich Marcel vor wenigen Wochen die achte Begehung holen konnte, gelang mir somit wohl die neunte Wiederholung der kompletten Überschreitung. Alle Begehungen sind individuell und nicht miteinander vergleichbar.
Wägitaler Webcam's (mit aktuellen Wetterdaten und Zeitraffer der letzten 7 Tage!).
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