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| Tourendetails Tris Rotondo Reloaded (Chüebodenhorn 3070m, Pizzo Rotondo 3192m, Pizzo Pesciora 3120m |
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Tourenart | Alpine Skitour |
Datum | 13.03.2014 |
Region | |
Kartennummer | SAC Skitourenführer Tessin/Misox/Calanca, 265 S Nufenenpass, 1251 Val Bedretto |
Link zum Kartendienst | |
Anforderung | S+, II 5.1/E2 |
Besucherandrang | Schwach frequentiert |
Gletscher | Spaltenarmer Gletscher |
Kondition | A |
Distanz | 17.2km
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Höhenmeter | 2500m 2500m |
Lawinenbulletin | gering (siehe Slf-Archiv) |
Exposition | Alle Exp. |
Gipfel erreicht? | Ja |
Bewertung (Erlebniswert) | Deluxe! |
Beschreibung | Tris Rotondo Reloaded (Chüebodenhorn 3070m NE-Flanke, Pizzo Rotondo 3192m Nordwand, Pizzo Pesciora 3120m, mit Dani
(Sicht vom Gross Leckihorn 3068m auf die üppig verschneite Pizzo Rotondo 3192m N-Wand und die Spuren des Skitourenrennens Tris Rotondo - Foto © Belrob)
//Motivation
Schon während der Tris Rotondo, als wir ausser Atem unter der Pizzo Rotondo 3192m Nordwand gequert hatten, war mir aufgefallen, wie üppig die Wand dieses Jahr eingeschneit war. Ich wusste aus zuverlässiger Quelle, dass sie ab und zu auch befahren wird. Als ich dann noch in den Besitz des obigen Fotos kam, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich schliesslich zuschlagen würde. Für den heutigen Donnerstag war perfektes Bergwetter prognostiziert, bei geringer Lawinengefahr - optimale Voraussetzungen also.
Nun stellte sich noch die Frage wie man die Tour am besten angehen sollte. Einfach nur auf den Pizzo Rotondo 3192m steigen und über die N-Wand runter war für mich irgendwie nicht ganz befriedigend. Mit nur wenig zusätzlichen Höhenmetern könnte man allerdings noch das Chüebodenhorn 3070m mitnehmen, und über's legendäre Canale della Dama runterfahren, denn dieses stand auch schon länger auf der Pendenzenliste. Schliesslich musste noch der Rückweg vom Gerengletscher geebnet werden: entweder langweilig den Pizzo Rotondo 3192m umrunden und mit wenig Gegenanstieg über den Passo di Rotondo, oder dann vom Gerengletscher zum Passo Superiore di Pesciora aufsteigen und gleich noch den Pizzo Pesciora 3120m mitnehmen.
Und da ward sie geboren - die KING LINE im nördlichen Bedrettotal! Von All'Acqua über die Normalroute auf's Chüebodenhorn, vie NE-Flanke (Canale della Dama) runter, Pizzo Rotondo südseitg (Y-Couloir) rauf, Nordwand runter, Passo Superiore die Pesciora rauf, über die Normalroute hinunter ins Tal nach Ronco und zurück nach All'Acqua. Viel mehr geht wohl wirklich nicht mehr!
//Chüebodenhorn 3070m - NE-Flanke (Canale della Dama)
Schlag sechs sind wir bei -2° in All' Acqua gestartet. Mit montierten Harscheisen folgten wir wie bei der Tris Rotondo in direkter Linie dem Ri dell'Aqua, und gelangten somit zeitsparend hinauf zur Alpe di Rotondo. Ab hier dann etwas beschwerlich über die stark beackerte und gefrorene Schneeoberfläche hinauf zum Gerenpass. Der Einblick ins Canale della Fiamma liess das Mühsal allerdings schnell wieder vergessen. Ab dem Gerenpass wurde die Spur wieder besser, und so konnten wir zügig und kräfteschonend nach gut 2.5h den besonnten Gipfel erreichen.
Es war herrlich hier oben, sonnig, warm und windstill! Und natürlich wurden wir mit einem grossartigen Panorama belohnt, der Blick reichte vom Bernina-Massif bis hinüber zum Mont Blanc. Ganz besonders hatte der Pizzo Rotondo 3192m unsere Blicke auf sich gezogen, da er ja unser nächstes Ziel darstellte. Doch zuerst einmal würden wir uns zum Frühstück in der Chüebodenhorn NE-Flanke einfahren dürfen. Nachdem wir uns gegen die dem Gipfel am nächsten gelegende, steile Flanke entschieden hatten (die ersten Meter hätte man zu Fuss absteigen müssen), folgten wir für ca. 100m beinahe horizontal dem NE-Grat, um anschliessend über's ebenso steile Canale della Dama abzufahren. Für Dani gab's kein Halten mehr; nachdem wir die Verhältnisse als absolut sicher eingeschätzt hatten, stürzte er sich rein ins Vergnügen. Der herrliche Presspulver sorgte für skifahrerischen Hochgenuss, die saugende Tiefe war für die Ambiance zuständig. Wenige Minuten später war der Spass dann leider schon vorbei, als wir nach einigen grosszügigen Schwüngen die Ski's auf dem Gh. del Pizzo Rotondo ca. 2750m zum stehen brachten.
(Chüebodenhorn 3070m NE-Flanke - Canale della Dama)
//Pizzo Rotondo 3192m - Südwand (Y-Couloir) und N-Wand
Nachdem wir uns beruhigt, gestärkt und die Felle montiert hatten, machten wir uns an den Anstieg zum Pizzo Rotondo 3192m. Immer wieder kehrten unsere Blick zurück zur Chüebodenhorn NE-Flanke mit dem spektakulären Canale della Dama - aus der Ferne sah die Sache viel ernsthafter und steiler aus als es in Tat und Wahrheit war. Aber vielleicht waren wir einfach nur gut drauf. Die positiven Gedanken schienen uns Flügel zu verleihen, denn wenig später und scheinbar mühelos standen wir bereits am Einstieg bzw. Skidepot ca. 3000m des Y-Couloirs, das uns in der Folge zum Gipfel führen würde. Im linken, von unten breiter erscheinenden Couloir, war ebenfalls eine Zweiermannschaft tätig, bewusst oder unbewusst hatte diese das falsche Couloir gewählt.
Das Y-Couloir lag noch im Schatten und war pickelhart gefroren, Steigeisen und Pickel waren unerlässlich. Auf den Frontzacken gelangten wir rasch bis zur Scharte kurz unter dem felsigen Gipfelkopf, hier hatten wir einen ersten Einblick in die Nordwand gewagt. Die Geschichte sah zumindest im oberen Abschnitt steil (55°), felsdurchsetzt und entsprechend ernsthaft aus, und auch nach dem kurzen Abstecher zum Hauptgipfel konnten wir die virtuelle Abfahrtslinie nicht vollständig überblicken. Wir hatten zwar ein Seil dabei und waren auf etwaige Manöver vorbereitet, aber trotzdem gelangten wir zum Schluss, es zuerst einmal vom linken Arm des Y-Couloirs und dessen Einsattelung probieren zu wollen. Denn das Foto von Belrob (siehe oben) liess ausser Zweifel, dass an mindestens einer Stelle eine Einfahrt direkt von der Scharte möglich sein würde.
Als wir in der Folge den rechten Arm abgestiegen und den linken Arm wieder erklettert hatten (zuletzt gegen 50°), präsentierte sich uns ein ganz anderes Bild: Die Einfahrt in die N-Wand war hier fast schon harmlos, ein installiertes Fixseil führte zudem über die ersten Felsen hinab in die verschneite Flanke. Und es war bereits jemand vor uns da gewesen, was uns nicht wirklich gefallen hatte! Denn anstatt abzufahren waren diese bis weit hinunter einfach abgerutscht - über den Sinn dieser fragwürdigen Aktion kann man sich schon seine Gedanken machen... Die freigehackte Plattform nahmen wir dagegen dankend an, so konnten wir immerhin rasch und problemlos die Ski's montieren. Und dann wurde mir die Ehre zuteil um die ersten, richtigen Schwünge in den Schnee zu zaubern. Der erste Abschnitt war schon gehörig steil (gegen 50°) und hatte keine Fehler erlaubt, ab der Mitte bis zum Wandfuss dann perfektes Skigelände und Steilheiten gegen 45°. Der Schnee war schlichtweg genial, von oben bis unten bestens konservierter Pulver, genauso hatten wir es uns vorgestellt. Nachdem uns das Überwinden des Bergschrundes einen letzten Adrenalinschub verliehen hatte, konnten wir entspannt den Gerengletscher hinabkurven, bevor wir auf ca. 2700m innehielten, um die grossartige Aktion Revue passieren zu lassen. Und um unzählige Wandfotos zu knipsen.
(Pizzo Rotondo 3192m N-Wand)
//Pizzo Pesciora 3120m - Passo Superiore di Pesciora
Dani hätte sich nun am liebsten ausgebreitet und den Liegestuhl zur Seite genommen, doch war auch ihm bewusst, dass die Zeit bereits fortgeschritten war, und die S-Hänge der Alpe die Pesciora schon sehr lange der Sonne ausgesetzt waren. Anstatt Sülzli würde es dann nur noch ein Pflötschli geben. Somit blieb auch ihn nichts anderes übrig, als die 400hm auf den Passo Superiore di Pesciora in Angriff zu nehmen. Harscheisen hätten den Aufstieg über die stark abgeblasene Schneeoberfläche durchaus vereinfacht, mit verstärktem Stockeinsatz ging es dann auch knapp ohne. Die letzten Meter zum Pass mussten die Ski's noch einmal aufgebunden werden, Dank vorhandener Trittspuren konnten wir dieses Mal auf Pickel und Steigeisen verzichten.
In hübscher, stellenweise leicht ausgesetzter Blockkletterei gelangten wir vom Skidepot hinauf zum Gipfel des Pizzo Pesciora 3120m, Steigeisen verliehen zusätzliche Sicherheit. Die Schlüsselstelle, eine schmale Rinne, welche normalerweise mittels einiger Kletterzüge überwunden wird (klick!), präsentierte sich heute als total harmlos; komplett schneegefüllt konnte man mir nichts dir nichts hochspazieren. Und so standen wir wenige Minuten später bereits auf dem dritten Dreitausender am heutigen Tag, und konnten uns endlich so richtig gehen lassen!
Nach einer mehr oder weniger langen Pause hatten wir allerdings trotzdem vorauszuschauen. Es galt noch die Abfahrt nach Ronco sauber über die Bühne zu bringen, in der Hoffnung, noch einigermassen passable Schneeverhältnisse anzutreffen. Als wir hinunter zum Skidepot und in der Folge vorsichtig auf die S-Seite des Pesciora abgestiegen waren, konnten wir wenig später zur Abfahrt ansetzen. Wider erwarten war der Schnee zwar tief, aber immer noch tragfähig und sehr drehfreudig, so kamen wir etwas unerwartet in den Genuss von waschechtem Frühlingsschnee. Wie an der Tris Rotondo folgten wir zuletzt nicht den Wanderweg zurück nach Ronco, sondern stachen steil hinab ins Tobel des Ri di Ronco, welcher sich immer noch gut überqueren liess. Wenig später hatten wir schweissgebadet die Nufenenpassstrasse erreicht.
Es war aber noch nicht das Ende, denn wir mussten schlieslich noch zurück nach All'Acqua gelangen. Nachdem wir ein schattiges Plätzchen ausgesucht, und uns kurzzeitig der Oberkörperbekleidung entledigt hatten, nahmen wir das Schlussbouquet in Angriff. Letztendlich war es halb so wild, in einer knappen halben Stunde waren wir zurück beim Ausgangspunkt, und konnten auf der Sonnenterrasse des Ristorante All'Acqua sogleich die trockenen Kehlen befeuchten oder den Hunger stillen.
(Aufstieg vom Gerengletscher zum Passo Superiore di Pesciora)
//Fazit:
Die KING LINE im nördlichen Bedretto ist wahrlich ein wilder Ritt und ein Schmankerl für Liebhaber von steilen Anstiegen inkl. Portagen, wilden Abfahrten und vielen Höhenmetern. Total muss 4x angefellt werden, ein letztes Mal um von Ronco zurück nach All' Acqua zu gelangen, es bleibt einem nichts erspart! Man könnte natürlich auch Autostopp machen, Erfolgschancen ungewiss...?
Die Tour hatte uns physisch und mental durchaus gefordert... Aber es hatte sich gelohnt: Unsere Erwartungen betreffend Schneeverhältnisse und Spektakel in der Pizzo Rotondo 3192m Nordwand wurden zu 100% erfüllt wenn nicht gar übertroffen! Das Beigemüse aka Chüebodenhorn 3070m und Pizzo Pesciora 3120m war ebenfalls äusserst lohnend. Als Inspiration zur Routenwahl hatte der Kurs der Tris Rotondo gedient; im Gegensatz zum Rennen hatten wir dieses Mal allerdings die Gipfel mitgenommen.
//Angetroffene Verhältnisse Chüebodenhorn NE-Flanke (Canale della Dama):
- Einfahrt hart, mittig Presspulver, unten raus leichter Deckel.
//Angetroffene Verhältnisse Pizzo Rotondo N-Wand:
- Perfekt konservierter Pulver von A-Z
// Facts Chüebodenhorn 3070m NE-Flanke (Canale della Dama)
Wandhöhe: 300m, durchgehend 40-45° steil, sehr stimmige Ambiance. Skischwierigkeit 4.3/E1.
// Facts Pizzo Rotondo: Südwand (Y-Couloir) und Nordwand
- Südwand Y-Couloir: Wandhöhe 200m, durchgehend 45-50° steil. Leichte Blockkletterei am Gipfel. Schwierigkeit im Aufstieg S+.
- Nordwand: Wandhöhe: 400m, durchgehend 45-50° steil, ernsthafte Ambiance. Skischwierigkeit 5.1/E2.
// Ausrüstung:
Harscheisen, Pickel und Steigeisen. Mehr brauchte es für die von uns gewählte Variante nicht.
// Die Zeiten:
Start All' Acqua Pkt. 1614m um 06:01 Uhr.
Ankunft Gipfel Chüebodenhorn um 08:25 Uhr.
Abfahrt Canale della Dama 3040m um 08:45 Uhr.
Ankunft Gh. del Pizzo Rotondo 2750m um 08:52 Uhr.
Start Gh. del Pizzo Rotondo 2750m um 09:00 Uhr.
Ankunft Skidepot Y-Couloir Pizzo Rotondo 3010m um 09:30 Uhr.
Start Skidepot Y-Couloir Pizzo Rotondo 3010m um 09:45 Uhr.
Ankunft Gipfel Pizzo Rotondo um 10:11 Uhr.
Abfahrt Pizzo Rotondo Nordwand 3140m um 10:50 Uhr.
Ankunft Gerengletscher 2720m um 11:02 Uhr
Start Gerengletscher 2720m um 11:15 Uhr.
Ankunft Passo Superiore di Pesciora 3050m um 11:50 Uhr.
Ankunft Gipfel Pizzo Pesciora um 12:03 Uhr.
Abstieg Gipfel Pizzo Pesciora um 12:23 Uhr.
Abfahrt Pesciora um 12:40 Uhr.
Ankunft Ronco Pkt. 1477m um 13:06 Uhr.
Start Ronco Pkt. 1477m um 13:16 Uhr.
Ankunft All' Acqua Pkt. 1614m um 13:43 Uhr.
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GPS-Profil
GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte der gesamten Tour können hier heruntergeladen werden (gpx file).
Bemerkungen:
Merci Dani für die Begleitung auf dieser Wahnsinnstour, und dass ich das Seil vergeblich über alle Gipfel tragen durfte... Nächstes Mal nehmen wir ein Doppelseil mit, welches Du dann über alle sieben Berge trägst 😜
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