Beschreibung | 22. JUNGFRAU-MARATHON 2014
//Motivation
Der Jungfrau-Marathon sollte für mich, nach einer intensiven Saison mit vielen Rennen, der krönende Abschluss werden. Im Vorfeld hatte ich ambitionierte Pläne, denn ich wollte unbedingt die Marke von 4:00h unterbieten. Doch anstatt noch einmal zielgerichtet aufzubauen (Erholungsphase, flache Longjogs auf Asphalt, Bergintervalle, Tapering), zog es mich bis kurz vor dem Rennen vermehrt in die Berge. Ich konnte den guten Verhältnissen einfach nicht widerstehen, um einige grosse Herausforderungen anzunehmen und den Körper gleichermassen zu schwächen.
Somit wollte ich versuchen das Beste daraus zu machen. Immerhin konnte ich nun relativ befreit auftreten, denn das erklärte Ziel, unter 4:00h zu bleiben, war unterdessen in weite Ferne gerückt. Dies wäre für mich, wenn überhaupt, nur mit einem sauberen Trainingsaufbau möglich. Leider zeigte die Formkurve seit Ende Juli nur noch nach unten. Am Murianer Herbstlauf vor einer Woche stellte ich mich einer letzten Prüfung. Hier musste ich mit Ernüchterung feststellen, dass ich auf den Kilometer im Schnitt ungefähr 20 Sekunden langsamer war als beispielsweise am Bremgarter Reusslauf im Februar. Allerdings war ich vor zwei Tagen noch an den Barrhörnern unterwegs, und ging auch nicht voll ans Limit, ihn nahm es als schnelle Trainingseinheit. Aber trotzdem, die Spritzigkeit war weg. Dementsprechend wollte ich am Jungfrau-Marathon einfach gut durchkommen und den Lauf geniessen, und danach in die verdienten Ferien gehen.
//Race
Vom Basecamp war es nicht weit bis zum Startgelände. Die Startnummer hatte ich bereits am Vorabend gefasst, so konnte ich ruhig und stressfrei in den Tag starten. Während der Nacht hatte es aufgeklart, und heute morgen präsentierte sich der Himmel wolkenlos; perfekte Laufbedingungen würden uns erwarten!
Während der Aufwärmphase hatte ich zufällig Silvan angetroffen, gemeinsam drehten wir noch die letzte Runde, um uns schliesslich hinter die Startlinie zu begeben und auf den Startschuss zu warten. Nach dem Rennen wollten wir uns im Tipi auf der Kleinen Scheidegg verabreden. Dann ertönte der Startschuss.
Der erste Loop führte über mehrere Kilometer durch Interlaken. Abertausende Zuschauer säumten den Streckenrand und machten gewaltig Stimmung. Da ich das Pulver nicht gleich verschiessen wollte ging ich es gefühlt etwas ruhiger an. Trotzdem lief ich mit einer 04:15 Pace/KM auf den ersten 10k, bis dahin war ich gut unterwegs.
Beim Kontrollpunkt in Lauterbrunnen, nach 21.1k, war es im Schnitt immer noch eine 04:34 Pace/KM, obschon wir bereits einen Halbmarathon mit 300hm in den Beinen hatten. Ich war noch immer auf Kurs. Die Knie hatten sich zwischenzeitlich bemerkbar gemacht, doch konnte ich die Schmerzen mehr oder weniger im Zaum halten. Ansonsten war noch alles in Ordnung, ich war bereit für den Anstieg zur Kleinen Scheidegg.
Nachdem wir taleinwärts noch eine kleine Schlaufe gedreht hatten, stellte sich uns nach dem Verpflegungsposten bei 25.5k die sogenannte Wand entgegen. Spätestens hier trennte sich die Spreu vom Weizen. Flachlandspezialisten und Läufer, welche den ersten Abschnitt zu schnell angegangen waren, sind komplett eingebrochen, Bergläufer dagegen konnten hier endlich auftrumpfen. Natürlich war es auch für mich ein Chnorz, doch konnte ich alles durchlaufen (95%/HFmax) und bis Wengen beinahe 50 Plätze gutmachen.
Als Prüfstein entpuppte sich der Abschnitt zwischen Wengen 30k und Wixi 38k. Total mussten 500hm absolviert werden, lange Steigungen im Wechsel mit flachen Passagen. Eigentlich hätte ich hier gleichermassen alles durchlaufen sollen, doch hatte ich in diesem Teilstück sehr zu kämpfen und musste etliche Male spazieren. Ich wusste dass ich hier Zeit einbüssen würde. Immerhin, es ging mehr oder weniger allen gleich (ausser Silvan, der legte hier eine Top Performance an den Tag). Trotz der Anstrengung genoss ich die tolle Ambiance, der Blick war stets auf das monumentale Dreigestirn gerichtet, dies entschädigte für all die Strapazen.
Die Moräne hoch war es dann wieder ok und ich konnte weitere Läufer überholen, ich hatte die zwischenzeitliche Baisse offenbar überwunden. Bis 40.5k ging alles gut, doch dann bekam ich heftige Krämpfe in den Aduktoren, die Anzeichen und Vorboten hatte ich schon länger gespürt. Doch auch damit war ich nicht alleine, diverse Läufer liessen sich am Streckenrand behandeln. Geteiltes Leid war halbes Leid. Nun musste ich entsprechend vorsichtig ans Werk gehen um es trotzdem über die Ziellinie zu schaffen. Der letzte Downhill war ein einziger K(r)ampf, doch schaffte ich es durchzubeissen, und mich im Sog der lärmenden Zuschauer über die Ziellinie zu befördern.
Aus und vorbei, es war ein grossartiges Gefühl hier oben zu stehen! Die Tatsache, die kleine Scheidegg erreicht zu haben, liess jeden einzelnen zum Sieger werden. Nachdem mir die schöne Medaille und das trendige Finishershirt überreicht wurden, ging ich rasch das Gepäck fassen und unter die warme Dusche, bevor ich mich mit Silvan ins Tipi setzte und zum gelungenen Jungfrau-Marathon Début anstossen konnte.
(Zielankunft Kleine Scheidegg 2061m)
//Fazit:
Das ewige Kreuz mit dem Jungfrau-Marathon. 2013 musste ich aufgrund starker Rückenbeschwerden Forfait gegeben, und dieses Jahr bin ich mit beinahe leeren Batterien an den Start gegangen. Deshalb war ich dann auch etwas skeptisch, ob sich eine Teilnahme beim schönsten Bergmarathon der Welt wirklich auszahlen würde. Zudem sprachen viele Stimmen von einer banalen Strecke, zu viel Asphalt, zu wenig Abwechslung. Es sei ein prestigeträchtiger Volkslauf, mehr nicht. Dementsprechend hatte ich mich darauf eingestellt und die Erwartungen diesbezüglich nicht sehr hoch gesteckt. Grundsätzlich wollte ich sowieso mehr der Zeit wegen am Jungfrau-Marathon teilnehmen; die Marke von 4:00h zu unterbieten wäre eine feine Sache.
Dass ich die 4:00h Marke nicht würde knacken können war mir bereits seit einigen Wochen bewusst; spätestens seit dem Swissalpine Marathon zeigte die Formkurve nur noch nach unten, und ich gab mir praktisch keine Zeit zur Erholung. Anstatt mich auszuruhen und anschliessend wieder sauber aufzubauen, mittels flachen Longjogs und Intervalltrainings, nutzte ich das schöne Wetter um in den Bergen laufen zu gehen. Das Profil auf diesen Skyruns zeigte jeweils steil nach oben oder nach unten, nicht gerade optimal als Vorbereitung für den Jungfrau-Marathon.
Somit war ich dann ziemlich überrascht, dass ich mit 4:07h trotzdem noch eine respektable Zeit hinlegen konnte, in dieser Hinsicht war ich sehr zufrieden, das hätte ich so nicht erwartet. Ich konnte den Lauf über die ganze Strecke sauber einteilen und musste bis auf den letzten Kilometer keinen Einbruch erleiden (siehe Grafik). Erst zum Schluss wurde ich von Krämpfen geplagt, dies war allerdings nicht wirklich ins Gewicht gefallen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Strecke im Angesicht des Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau von mir die Höchstnote verliehen bekommt. Wohlgemerkt, man kann den Jungfrau-Marathon trotz der zu absolvierenden Höhenmetern zu den Strassenmarathons zählen, flowige Trails sucht man bis auf wenige Abschnitte vergeblich! Meine neutrale Haltung diesbezüglich hatte sich ausbezahlt, ich war total überrascht wie schön sich Strecke in Tat und Wahrheit präsentierte, alleine der Anblick des zerschrundenen Giesengletschers und Silberhorns entschädigt für all die Strapazen. Eine derart grossartige Stimmung über die gesamten 42 Kilometer hatte ich noch nie erlebt!
Mit dem Jungfrau-Marathon beschliesse ich die Wettkampfsaison 2014. Die vielen Trainingseinheiten und total vier Läufe über die volle oder doppelte Marathondistanz hatten ihren Tribut gezollt: Geist und Körper sind leer und brauchen dringend Erholung.
(Loucherflue Pkt. 2203m - erschöpft aber glücklich)
//Mögliche Strategie bei einer erneuten Teilnahme:
Die Zeit von 4:00h zu unterbieten erachte ich immer noch als realistisch. Nach einem optimalen und vernünftigen Trainingsaufbau (flache Longjogs und Intervalle um schneller zu werden, zusätzlich Bergintervalle), und wenn ich es mir verkneifen kann, anstatt ruhig zu bleiben einige Tage vorher in den Bergen laufen zu gehen. Eine mögliche Taktik am Renntag könnte folgendermassen ausschauen:
Die ersten 5k bei sehr hoher Intensität (95%/HFmax oder 165bpm) laufen (etwas schneller als dieses Mal), anschliessend Tempo reduzieren und mit 85-90%/HFmax (160bpm) konstant bis Lauterbrunnen Ey 25.5k durchziehen. Die Wand bis Wengen 29.1k versuchen durchzulaufen mit bis zu 95% Intensität (165bpm). Anschliessend mit 85-90%/HFmax bis zur Wixi 39k durchlaufen. Die Moräne gehend mit 85-90%/HFmax bis ins Ziel.
Andererseits zeigte mir ein aufschlussreiches Excel-File, dass ich, um die 4:00h zu unterbieten, bis Lauterbrunnen eher zu schnell unterwegs gewesen bin. Anschliessend, vor allem zwischen Wengen und Wixi, konnte ich das Tempo nicht mehr halten und hatte deutlich an Zeit eingebüsst. Von Wixi bis ins Ziel war es dann wieder ok. Gemäss dieser Analyse müsste ich mich anfangs eher noch mehr zurückhalten, um im zweiten Teil keinen Einbruch zu erleiden. Eine tellerfertige Lösung scheint es leider nicht zu geben...
//Facts:
- Route: siehe Übersichtskarte
- Distanz: 42.195km
- Höhenmeter Aufstieg: 1800m
- Höhenmeter Abstieg: 300m
- Terrain: 55% Asphalt, 40% Naturstrassen und Wanderwege, 5% Bergweg
- Verpflegung: Sponser Gels (4x Liquid Energy Plus, 2x Liquid Energy Long), 1 Salzkapsel nach 25k (ca. 2h)
- Maxpuls: 164bpm
- Schnittpuls: 156bpm
- Zeit: 4:07'43
- Durchgangszeiten: klick!
- Ranglisten: klick!
- Finisher Clip: klick!
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Profil
Pulsfrequenz vs. Höhenmeter
Suunto Movescount Zusammenfassung
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Bemerkungen:
Trotz der zu absolvierenden Höhenmeter kann man den Jungfrau-Marathon zu den Strassenmarathons zählen, flowige Trails sucht man bis auf wenige Abschnitte vergeblich!
Auf langen Distanzen ist eine Food-Strategie unerlässlich. Am besten legt man sich einen Plan zurecht und hält darauf schriftlich fest, bei welchem Posten man was essen würde. Im Rennen hat man so weniger Stress und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Um Krämpfen vorzubeugen ist die Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig, noch wichtiger als genügend Salz und Magnesium! Man soll saufen was das Zeug hält, am besten bei jedem Posten anhalten, sich etwas Zeit nehmen und genügend trinken.
Weissbrot mit Honig bewährte sich als Frühstück (wie auch das Enervit Pre Sport), oder auch dunkelgelbe Bananen (am besten die mit braunen Punkten, denn grüne Bananen besitzen noch Stärke, die zuerst in Zucker umgewandelt werden muss, dies kann unerwünschte Bauchschmerzen verursachen). Randnotiz: An den Verpflegungsposten liegen meistens eben diese grünen Bananen auf, also bitte mit Vorsicht geniessen...!
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