Beschreibung | Rote Fluh im Färmeltal, 14./15.07.2007, mit Cedric
Die Routen von Michel Piola an der Roten Fluh gehörten zu den schönsten Sportklettereien im Berner Oberland, so steht es zumindest im Filidor-Führer (Schweiz extrem band 1) geschrieben. Steiler, scharfer Tropflöcherkalk lasse die Haut an den Fingern schon nach wenigen Seillängen dünner werden. Dies wollten Cedi und ich dieses Wochenende am eigenen Leib (an den eigenen Fingern) erfahren...
Am Samstag Anfahrt mit dem Klettermobil via Zweisimmen nach Blachti im Färmeltal und Fussaufstieg ab P. 1405m zur Alp Bluttlig 1752m (Biwakmöglichkeit und Wasser). Nachdem ein gemütlicher Schlafplatz gefunden war (ca. 200m westlich der Alp auf gleicher Höhe), weiter zum Wandfuss auf ca. 2100m aufgestiegen. Um 11.45 Uhr dann eingestiegen in die Route
Marque jaune 7a+, 6b obl., 10 Sl. (***)
(Marque jaune, ein berühmter Titel eines B.D.)
1. Sl. 6b: Schöne, etwas plattige Seilänge zum aufwärmen.
2. Sl. 6b+: Schöne Seillänge an scharfem Fels mit einer steilen Crux.
3. Sl. 6c: Super Seillänge, die schönste der ganzen Tour! Luftiger Quergang nach links meist in Verschneidung, zwischendurch muss auch auf den Pfeiler ausgewichen werden mit viel Luft unter dem Fudi, die Crux (Querung nach links an feinen Leisten) kurz vor dem Stand.
4. Sl. 6b+: Schöne Seillänge an scharfem Fels.
5. Sl. 7a+: Die Schlüsselseillänge ist äusserst technisch, feingriffig und plattig, also ganz Rote-Fluh attypisch! Tief bleiben ist hier die Lösung, gut stehen und die feinen Griffe finden, die Crux kann (zum Glück) technisch gelöst werden.
6. Sl. 6c+: Schöne Seillänge mit einer schwierigen Einzelstelle.
7. Sl. 6b: Schöne Seillänge in scharfem Fels.
8. Sl. 6c: Querung an runden Griffen und Leisten.
9. Sl. 6b: Schöne Seillänge in scharfem Fels, athletische Crux.
10. Sl. 6b: Schöne Seillänge, anhaltend bis zum Ausstieg.
>> Wir kletterten mit 60m Zwillingsseilen, so konnten die Seillängen 6 u. 7, sowie 9 u. 10 zusammengehängt werden.
Um 16.45 Uhr stehen wir auf dem Gipfel des Rothorns und geniessen die wärmende Sonne, denn seit ca. 1h war die Wand bereits im Schatten... Anschliessend 6x luftig abgeseilt (Zwischensicherungen einhängen, ein Stand muss etwas angependelt werden) und um 18.00 wieder unten am Wandfuss. Dann in ca. 20 Minuten hinunter zu unserem Biwakplatz. Nun war Pasta-Party angesagt :-)
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Am Sonntag, nach einer wunderbaren Nacht im Freien, mit einem leichten Rucksack (unsere Klettersachen zuvor am Wandfuss deponiert hehe) erneut zur Roten Fluh aufgestiegen. Dieses Mal hatten wir uns in die anspruchsvolle Route Bons baisers de sibérie gewagt. Um 09.00 Uhr sind wir in die Tour eingestiegen.
Bons baisers de sibérie 7a+, 6c obl., 6 Sl. (****)
1. Sl. 6b+: Schöne Seillänge, zu Beginn ziemlich steil und athletisch, anschliessend dann ziemlich plattig an stumpfen Wasserrillen. Kann als Zustiegsseilänge zur eigentlichen Tour angesehen werden...
2. Sl. 6c+: Nun gehts aber volle Kanne los: Super schöne und anhaltende Seillänge an zerfetzig scharfem Fels, und die Haut an den Fingern schwindet bereits. Es müssen die kleinsten Tropflöcher gekrallt werden, und die schwierigen Stellen müssen zwingend geklettert werden, und dies auch gut einmal einige Meter über der letzten Zwischensicherung!
3. Sl. 7a+: Die Crux kurz nach dem Stand, eine schwierige Querung an Untergriffen nach links (techn. möglich), anschliessend dann wieder äusserst scharfer Fels und anhaltende Schwierigkeiten, zum Schluss noch ein knackiges Dach mit slopy Ausstieg zum manteln, und die letzte Zwischensicherung liegt einige Meter zurück - na dann prost!
4. Sl. 6c: Lange und anhaltende Seillänge in abartig scharfem Fels, eher 7a als 6c, und auch die schwierigeren Stellen sind alle zwingend zu klettern!
5. Sl. 6c+: Super Kletterei in äusserst scharfem Fels.
6. Sl. 7a: Nach einem boulderigen Einstieg einige Meter etwas leichter, dann aber noch einmal anhaltende, hammerharte Kletterei - die Finger schmerzen bereits so sehr, dass man die kleinen Tropflöcher nicht mehr anfassen möchte, es bleibt einem jedoch nichts anderes übrig. Eine 7a ist auch hier zwingend zu klettern.
Um 14.20 Uhr erreiche auch ich den Ausstieg, kaum noch Haut auf den Fingern und froh, dass ich wenigstens im Nachstieg irgendwie hochgekommen bin...
Die anschliessende Abseilfahrt ging wie gewohnt zügig von statten, schon bald waren wir zurück am Einstieg und weiter unten bei userem Biwakplatz. Nachdem wir unsere sieben Sachen gepackt hatten, ging es gemütlich hinunter ins Tal, und nach einem erneuten Zwischenstop in Zweisimmen zurück nach Hause.
(Abartig scharfer Fels in der Route Bons baisers de sibérie an der Roten Fluh)
Bemerkungen:
Im Sommer hat die Wand von ca. 08.30 - 16.00 Uhr Sonne. Der Zustieg ist zwar stotzig, jedoch lange nicht so ausgesetzt wie der Wendenzustieg.
Die älteren Piola-Routen sind alle hart bewertet, sportlich gesichert und somit ziemlich anspruchsvoll - für Bons baisers de sibérie zum Beispiel ist eher eine 7a zwingend zwischen den Haken zu klettern als eine 6c, die Schlüsselstellen können NICHT technisch gelöst werden!
Marque jaune ist etwas besser abgesichert, die Schlüsselseillänge kann relativ gut technisch gelöst werden. Aber auch hier ist ein verlässliches 6c-Vorsteigevermögen von Vorteil!
Auf topoguide.de findet man weitere schöne Beschreibungen zu den Routen Bons baisers de sibérie und Marque jaune. Einen Überblick über die meisten Routen am Rothorn gewinnt man auf obsig.ch.
Der Band Sportklettern im Berner Oberland von Hans Grossen ist seit 2010 im Buchhandel erhältlich, doch kam er mir erst kürzlich zwischen die Finger. Das Buch ist liebevoll gemacht und beschreibt nebst den bekannten Klettergebieten auch viele unbekannte oder schwach frequentierte Gebiete (wie das Rothorn), versorgt den Leser mit vielen Hintergrund- und Detailinformationen, befasst sich mit der Erschliessungsgeschichte und stellt lokale Klettergrössen vor. Es ist jedem zu empfehlen, der im Berner Oberland gerne Fels unter die Finger kriegt, und nebst Routen konsumieren auch noch historisches zum Gebiet erfahren möchte.
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