Beschreibung | Titlis Nordwand - Piccola Spada 7a+, 6c obl., 11 Sl (***), mit Bruno
(Titlis Nordwand - Piccola Spada)
Die Route Piccola Spada wurde im Sommer 2009 von Matthias Trottmann und Thomas Scheuner eröffnet. Mehr Infos zur Begehungsgeschichte, viele Fotos und auch das Topo findet man hier: klick!
Die Tour ist grundsätzlich gut abgesichert (nicht Plaisir!), trotzdem wird an einigen Stellen Eigeninitiative verlangt zur zusätzlichen Absicherung mittels Klemmekeilen oder Friends. Bandschlingen zum Verlängern sind ebenfalls wertvoll. Die Seillängen sind lang und anhaltend, der Fels ist grösstenteils von guter bis sehr guter Qualität. Zwischendurch müssen allerdings schon auch mal brüchige Zonen gequert werden, umsichtiges Klettern ist hier erforderlich. Der Fels und die Kletterei sind sehr abwechslungsreich: Von Knobbs (Chickenheads), grossen Löchern, positiven Leisten, Rissen, wasserzerfressenem Fels, Verschneidung bis zum Kamin wird alles geboten.
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Lange ist's her seit ich das letzte Mal in einer grösseren Wand unterwegs war. Die Vorsteiger-Psyche war so ziemlich auf dem Nullpunkt, es war somit höchste Zeit, diese einem kleinen Formtest zu unterziehen. Da uns das Zwischenhoch heute bis zu 27 Grad bescherte, und es seit zwei Tagen nicht mehr geregnet hatte, sollte es gut und trocken sein in den Schattenwänden. Die Piccola Spada an der Titlis Nordwand war schon länger auf unserem Radar, nun wollten wir unser Glück probieren. Und während der Woche sollten auch nicht allzu viele Kletterer in der Gegend sein - weit gefehlt, wie wir später feststellen sollten...
Nachdem wir das Material sortiert hatten, sind wir schliesslich um 08.00 Uhr in Herrenrüti Pkt. 1084m gestartet. Am Klettergarten Schlänggen vorbei, führt nach ca. 300m ein Wanderweg nach links steil durch den Wald zur Hohfadalp 1450m hinauf (Wegweiser). Anschliessend auf Pfadspuren oder weglos, auf der rechten Seite des Tobels, zum Galtibergboden hinauf, einige Steinmännchen weisen den Weg. Nun hat man die Wand in seiner ganzen Breite vor sich, und kann auf das entsprechende Ziel zusteuern. Nachdem wir uns an der Sonne gestärkt hatten, gelangten wir über zwei kleine Bächlein in den Schatten und über ein Schneefeld zum Einstieg der Piccola Spada. Erst auf den letzten Metern mussten wir feststellen, dass wir nicht die Ersten waren, zwei listige Kletterer waren bereits startklar. So blieb uns nichts anderes übrig, als eine weitere Pause einzulegen und abzuwarten, bis die Reihe an uns war. Immerhin konnten wir uns so bereits ein Bild von der powerigen Schlüsselstelle machen ;-)
Schliesslich war es dann soweit und wir konnten in die Route einsteigen:
1. Sl. 7a+: Ein veritabler Kaltstart, bei dem man garantiert mit brennenden Unterarmen den Stand erreicht! Bis unter den Bauch ist die Kletterei nicht allzu hart, die gefrorenen, gefühllosen Finger erschwerten die Sache dafür umso mehr. Spätestens unter dem Bauch, wo zuletzt an kleinen Leisten und Seitgriffen geklettert werden musste, hatte der Körper dann die Betriebstemperatur erreicht. Nun folgte die Crux der Seillänge: Mit links an eine gute Leiste kreuzen, mit rechts weit raus an eine schlechte Leiste auf Schulter, links hochstehen über den Bauch, mit links an eine Leiste, und mit rechts an den Henkel schnappen. Hier kann man nun etwas schütteln, bevor die nächsten Meter noch einmal gute Fussarbeit verlangen, bis endlich der rettende Bh geklippt werden kann (ansonsten gibt's einen rechten Abflug). Die verbleibenden Meter sind nicht mehr allzu schwierig, dafür spärlich abgesichert, mit einem Friend könnte man hier ev. entschärfen.
>> Obwohl mir die Sequenz der Schlüsselstelle bereits klar war, konnte ich knapp nicht réussieren, da die Unterarme bereits am platzen waren.
>> Die ersten zwei Seillängen könnten auch rechts umgangen werden (siehe Bemerkungen).
2. Sl. 6a+: Gutmütige Kletterei an Henkeln und Chickenheads, Runout zum Stand.
>> Die ersten zwei Seillängen könnten auch rechts umgangen werden (siehe Bemerkungen).
3. Sl. 3a: Querung des brüchigen Bandes nach links bis zum markanten Turm.
>> Ungesichertes Gehgelände.
4. Sl. 6c+: Super Wandkletterei an griffigen Leisten, Löchern und genialen Chickenheads! Die Crux folgt ungefähr in der Mitte: Ausgehend von einem Untergriff folgt eine nicht ganz offensichtliche Leistensequenz etwas linkerhand, bis man den rettenden Henkel erreicht.
>> Lange Seillänge an perfektem Fels - die beste der ganzen Tour!
>> 10m Runout zum Stand.
5. Sl. 6c: Zuerst Wandkletterei an Leisten und Löchern, anschliessend Piazkletterei an einem Riss, welcher weitestgehend selbst abgesichert werden muss. Anfangs legten wir einen mittleren C3er Cam, dann beim guten Seitgriff einen Cam Gr. 0.75, über welchem anschliessend die Crux gemoved werden muss (die Griffe sind auch links und rechts des Risses zu finden). Nach einem Bohrhaken für die Psyche hatten wir nochmal einen roten Cam gelegt. Den letzten Bohrhaken mit einer Schlinge verlängert und etwas nach rechts kletternd den Stand erreicht.
>> Den ersten Bohrhaken am besten gleich mit einer Schlinge verlängern für weniger Seilzug!
>> Die Vorsteigerpsyche wird so richtig auf die Probe gestellt...
6. Sl. 6a: Steile Henkelparade, zuletzt etwas nach rechts auf ein brüchiges Band.
7. Sl. 7a+: Super Wandkletterei an Leisten und Löchern, die Crux, ein Längenzug in ein grosses Loch, mit anschliessender Querung an Löchern und Leisten nach rechts, folgt im oberen Drittel. Zuletzt folgt ein kleiner Runtour zum Stand.
>> Grundsätzlich hilft es, jeweils etwas links der Bohrhaken zu klettern, um anschliessend wieder nach rechts zurück zu klettern.
>> Mal abgesehen von der mentalen Herausforderung, die Crux doch einige Meter über dem Bohrhaken klettern zu müssen, fühlte sich diese Seillänge nicht allzu hart an...
8. Sl. 6a+: Steile, athletische Henkelparade, zuletzt erneut etwas nach rechts klettern auf ein brüchiges Band.
9. Sl. 6a: Diese Seillänge war leider etwas unübersichtlich, und wir produzierten prompt einen Verhauer (die Seilschaft vor uns übrigens auch)! Zuerst ist die Linie noch offensichtlich, an Henkeln geht es über einen ersten Aufschwung. Nun sollte man auf einem brüchigen Band hart nach links halten (ca. 15m), um noch vor dem Turm zum Stand links davon zu gelangen. Wir hatten uns von (Verhauer?)-Bohrhaken zu weit nach rechts leiten lassen, und sind zuletzt an Friends gesichert (die nicht gehalten hätten) direkt über den brüchigen Turm hochgestiegen. Bruno hatte hier einen Stand improvisiert (auf dem Turm sitzend, gesichert an einem Bohrhaken der 6c-Seillänge).
>> Entweder waren wir alle blind, oder dann handelte es sich eben doch um einen Verhauer?! Falls ja, dann sollten diese Bh A) im Topo eingezeichnet oder B) entfernt werden.
10. Sl. 6c: Der Start würde sich links vom Turm befinden, und auf den ersten Metern müsste man durch einen Kamin hochklettern. Wir sind stattdessen direkt vom Turm in die Seillänge eingestiegen. Schöne, anhaltende und technische Wandkletterei an Leisten und Löchern verlangen hier noch einmal vollen Einsatz, hat man nun doch schon einige anstrengende Klettermeter in den Armen.
>> Oben im Riss einen C3er Cam gelegt für die Psyche.
>> Mit letzten Kräften gelang diese Seillänge auf Anhieb :-)
Während ich mich in der 10. Seillänge im Vorstieg befand, rumpelte es plötzlich - da hatte Bruno (aka der Elefant im Porzellanladen) wohl einige Steine losgetreten. Erst als ich den Stand erreicht hatte, informierte er mich, dass ein Stein dummerweise das Seil verletzt hatte, und wir mit diesem wohl nicht mehr abseilen konnten. Tatsächlich war an einer Stelle der Mantel und einige Litzen beschädigt, ans abseilen war somit nicht mehr zu denken!
Aber zum Glück befand sich ja noch die andere Seilschaft über uns, diese machte sich gerade ans abseilen, und wir durften uns dankend bei ihnen anhängen. Zwar konnten wir so die Route nicht ganz fertig klettern, aber wenigstens mussten wir nicht bloss mit einem Halbseil abseilen und unser Material in der Wand hängen lassen, oder gar der Rega anrufen...
Somit machten wir uns gemeinsam an die Abseilfahrt: unsere Seile (das ganze, aber auch das defekte Halbseil) fixierten wir mit Achterknoten und Karabiner direkt am Stand, und konnten so jeweils gefahrlos bis zum nächsten Stand abseilen. Nachdem wir die Seile wiederum fixiert hatten, hatte die andere Seilschaft unsere Seile hinuntergeworfen und anschliessend selbst abgeseilt. Geraume Zeit später, nachdem das Prozedere viele Male wiederholt wurde, erreichten wir mit den letzten Sonnenstrahlen wohlbehalten den Einstieg. Vielen Dank Euch beiden für den Abseildienst!
Es war nun bereits 19.15 Uhr, die Berg- und Talfahrt hatte doch etwas länger gedauert als angenommen. Nachdem wir den Karsumpel verstaut hatten, blieb noch der gemütliche Abstieg ins Tal. In weniger als einer Stunde passierten wir den noch immer noch gut besuchten Schlänggen und erreichten Minuten später unser Auto. Das erfrischende Panaché liessen wir uns natürlich nicht entgehen!
Fazit:
Die Piccola Spada ist an und für sich eine sehr schöne und abwechslungsreiche Tour an überwiegend genialem Fels, wären da nur nicht die brüchigen Bänder und die latente Gefahr vor Steinschlag. Das Ambiente in der Wand ist dagegen top! Das abseilen gestaltet sich leider etwas mühsam, ev. wäre eine Piste zwischen Seillänge 6 und 4 möglich, um möglichst gerade abseilen zu können und weniger Steinschlag auszulösen...
(Titlis Nordwand - Übersicht)
Bemerkungen:
Aufgepasst vor Steinschlag, falls sich mehrere Seilschaften in der Route befinden! Auch beim abseilen sollte man Vorsicht walten lassen!
Dauer für den Zustieg ab Engelberg Herrenrüti Pkt. 1084m bis an den Wandfuss auf ca. 2000m in rund 1.5 Stunden. Für's abseilen sollte man ebenfalls 1.5 Stunden einberechnen.
Um den Kaltstart zu vermeiden, kann auch von rechts über ein Band eingestiegen werden, so umgeht man die ersten zwei Seillängen, und kann direkt in die dritte Seillänge einsteigen.
Das Abseilen ist leider etwas mühsam und geht nicht so rasch von der Hand, man sollte dafür ca. 1.5 Stunden einberechnen. In der 3. Länge hatten wir zuerst gerade hinunter auf's Band abgeseilt, und anschliessend ungesichert zum Stand der 2. Länge gequert.
Die Sonne scheint erst am späteren Nachmittag an die Wand.
Material: 60m-Halbseile, 12 Express, Klemmkeile und Friends (Cams C3 Gr. 0-2 und Cams C4 Gr. 0.4-1), Bandschlingen (zum Verlängern).
Einen weiteren Erlebnisbericht zur Piccola Spada findet man hier: klick!
Im Auswahl-Kletterführer Klettern in der Schweiz von Matteo della Bordella, welcher seit 2012 im Buchhandel erhältlich ist, sind die wichtigsten und bekanntesten, aber auch weniger bekannten Klettergebiete der Schweiz enthalten. Beschrieben werden sowohl Mehrseillängenrouten als auch Baseclimbs in verschiedenen Klettergärten, die Schwierigkeitsbereich der Wege reicht von mittleren bis zu höchsten Graden. Darin sind auch die alpinen Klettereien rund um Engelberg enthalten.
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