Beschreibung | Maurice Brandt 6b, 5c obl., 6Sl (**), an der Corne Aubert, mit Martine
(Corne Aubert 2038m)
Genussreiches Entspannungsprogramm in den Gastlosen. Seit langem wieder einmal etwas Felszeit, jetzt würde sich zeigen, was noch alles im Langzeitgedächtnis und Bewegungsrepertoire vorhanden war. Da wir keine Lust auf ein Knallerprogramm hatten, und uns die Option zum schnellen Rückzug offen halten wollten, gelangten wir bei der Ideensuche schliesslich auf die Corne Aubert, schliesslich hatten wir gute Erinnerungen an unsere letzte Tour an diesem Fels.
Der Zustieg zur Corne Aubert ist wohl der bequemste überhaupt in den Gastlosen! Vom Parkplatz VIII Grosse Combe (Combette) Pkt. 1829m gelangt man in 20 Minuten mehr oder weniger horizontal und weglos zu den Felsen. Zuletzt leicht ansteigend auf eine Krete, dann steil durch ein grasiges Couloir hinunter an den Wandfuss. Der Einstieg verläuft an einem markanten Pfeiler, der erste Bh. fehlt zur Zeit. Um 9.30 Uhr sind wir in die Route eingestiegen:
1. Sl. 6a: Schöne, griffige Seillänge, welche schräg nach rechts auf den Pfeiler führt. Ein abdrängendes Bewegungsproblem ungefähr in der Mitte der Seillänge.
>> Der erste Bohrhaken fehlt zur Zeit.
2. Sl. 6b: Piaz Einstieg, dann schöne, griffige Querung nach rechts, anschliessend feingriffig und technisch über den plattigen Bauch (Crux, geschlagene Löcher), dann leichter bis zum Stand.
>> Der Startriss kann mit einem Cam. Gr. 0.3 zusätzlich abgesichert werden.
>> Die Schwierigkeiten am Ende der Seillänge können technisch gelöst werden. Für Kleine in Freikletterei deutlich schwieriger als 6b!
3. Sl. 6a: Griffiger Einstieg, einige Wasserrillen, dann Gehgelände bis zum bequemen Stand.
>> Sehr kurze Seillänge, trotzdem empfiehlt es sich den Standplatz zu nutzen.
4. Sl. 6a+: Zuerst griffig, dann harte Plattenstelle, welche gutes Stehvermögen verlangt und das Vertrauen in den Sohlengummi fordert.
5. Sl. 5c: Interessante Seillänge. Zuerst luftig an die andere Wand queren, danach schöne und griffige Wand- und Reibungskletterei.
6. Sl. 6b: Die schönste aber auch schwerste Seillänge. Zuerst technische Querungung nach rechs an griffarmem Fels (A0 möglich), danach steile und anstrengende Piaz- und Pfeilerkletterei.
>> Super Seillänge, hier zwischendurch einmal etwas über die Haken gestiegen werden.
Nun gut, wir waren zwar nicht gerade im saubersten Onsight Stil unterwegs, trotzdem durften wir zufrieden sein, das Top ohne ernsthafter Schwierigkeiten und in ansprechender Zeit erreicht zu haben. Um den nachfolgenden Seilschaften den Platz zu überlassen, hatten wir in der Folge rasch über die Abseilpiste in 2x50m an den Wandfuss abgeseilt, falls man mit einem 60m Einfachseil unterwegs ist, könnte man grundsätzlich auch über die Route abseilen, was ich aber nicht empfehlen würde. Dann noch 1x durch das dem Steinschlag ausgesetzte Grascouloir zum Einstieg abgeseilt (die Abseilstelle befindet sich etwas versteckt in einer Nische). Mit der nötigen Vorsicht könnte man auch gut zu Fuss absteigen.
//Fazit:
Die Route hatte uns nicht wirklich vom Hocker gehauen. Sie machte insgesamt einen sehr inhomogenen Eindruck: Kurze Seillängen und oft etwas gesuchte Linienführung, Plaisirkletterei im Wechsel mit harten Plattenstellen, dann wieder botanisches Gehgelände; nur die letzten beiden Seillängen wussten wirklich zu überzeugen! Die geschlagenen Griffe in der 2. Seillänge hatten uns nicht gestört, denn ohne diesen wären wir wohl nicht hochgekommen... Die Standplätze sollten dagegen saniert werden, nicht lustig wenn man sich da zu dritt an einem rostigen Umlenker reinhängen muss - infolge der Popularität dieser Tour kann das durchaus vorkommen!
Alles in allem war es aber trotzdem ein gelungener Tag; die kontrastreiche Gegend am westlichen Zipfel der Gastlosen ist wirklich wunderschön, und die Temperaturen Dank der Höhe immer sehr angenehm!
(Martine in der steilen Ausstiegsseillänge der Maurice Brandt)
Bemerkungen:
Die Sonne gelangt Mitte Juli bereits um 10.00 Uhr an den Wandfuss, anschliessend liegt die Wand den ganzen Tag an der Sonne.
Die Route ist bestens mit Bohrhaken ausgerüstet, Friends und Klemmkeile sind nicht zwingend notwendig. Wer trotzdem etwas mitnehmen möchte, der ist mit Cam. Gr. 0.3-0.5 oder einem kleinen Kk-Set bestens bedient. Die Standplätze sind sanierungsbedürftig!
Die Zufahrt via Château-d Oex, Flendruz, La Manche, zum Parkplatz Grosse Combe ist nicht ganz einfach - dabei sein und Augen offen halten (Zufahrtsskizze Filidor Plaisir West war gut und hilfreich).
Die Bewertung in den Gastlosen ist im Allgemeinen um einiges härter als in anderen Gebieten - es kann meist gut ein Franzosengrad dazu gerechnet werden! Mehr Infos zu den Gastlosen gibt es bei Gastlosen.ch und Grimper.ch.
Webcam Region Gastlosen.
Der Band Sportklettern im Berner Oberland von Hans Grossen, welcher seit 2010 im Buchhandel erhältlich ist, beschreibt nebst den bekannten Klettergebieten (wie den Gastlosen) auch viele unbekannte Gebiete, versorgt den Leser mit vielen Hintergrund- und Detailinformationen, befasst sich mit der Erschliessungsgeschichte und stellt lokale Klettergrössen vor. Das Buch ist liebevoll gemacht und ist jedem zu empfehlen, der im Berner Oberland (oder speziell in den Gastlosen) gerne Fels unter die Finger kriegt, und nebst Routen konsumieren auch noch historisches zum Gebiet erfahren möchte.
Weitere Berichte zu Klettertouren in den Gastlosen auf chmoser.ch.
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