Beschreibung | 29. Swissalpine Marathon K78
//Motivation
Im Hinterkopf hatte ich die ultimative Herausforderung Swissalpine K78 schon länger, doch richtig festlegen wollte ich mich erst, nachdem ich den Test Graubünden Marathon 2014 erfolgreich bestanden hatte. Als mir Dynafit schliesslich noch einen Gratis-Startplatz für das Rennen zur Verfügung stellte war die Sache geritzt, und ich stellte mich meiner persönlichen Summerchallenge.
Zur Akklimatisation, welche für dieses Rennen einen entscheidenden Faktor spielte, verbrachte ich im Vorfeld eine ganze Woche in der Region Davos. Zum Zeitvertreib hatte ich, nebst einigen lockeren Laufeinheiten und kleinen Wanderungen, im Rahmen des Highseven Programms zwei interessante Seminare besucht.
Im Vortrag Basics for the Swissalpine machte der Referent auf die gegenwärtigen Streckenverhältnisse aufmerksam, wollte uns auf alle möglichen Situationen vorbereiten und eine sinnvolle Taktik und Strategie vermitteln. "Würdest Du aufgeben, wenn Du das Feld auf Platz 1 anführtest?" Dies war aus meiner Sicht einer der Schlüsselsätze des Referats. Man sollte sich diese Frage stellen, wenn man kurz vor der Aufgabe steht und sich nicht sicher ist, ob es der Körper oder nur der Kopf ist, der nicht mehr weiter will...
In den Swissalpine News wurde Wissenswertes zum Thema Regeneration und Ernährung vermittelt, gewann ich weitere Erkenntnisse. Man sollte sich eine Food-Strategie (Beispiel Enervit) zurechtlegen und auf einem Plan schriftlich festhalten, an welchem Posten man was essen würde. Im Rennen würde man so weniger Stress haben sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Um Krämpfen vorzubeugen sei vor allem die Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig, noch wichtiger als genügend Salz und Magnesium. Man sollte saufen was das Zeug hält, am besten bei jedem Posten anhalten, sich etwas Zeit nehmen und genügend trinken.
Am Vorabend des Rennens, nachdem die Wetterverhältnisse klar waren, hatte ich mir die Kleidertaktik zurechtgelegt. Ich wollte trotz prognostiziertem Dauerregen mit kurzen Hosen und Shirt loslaufen, und anschliessend spontan die eine oder andere Schicht zuschalten oder wechseln. Hier konnte ich glücklicherweise auf die Unterstützung der Familie zählen. Sie würden in Monstein (17k) und Bergün (43k) bereitstehen, und mich mit den nötigen Utensilien versorgen. Und natürlich moralische Unterstützung bieten. Als Laufschuh hatte ich mich für den Dynafit Pantera Ultratrail Running Schuh entschieden. Stabilität und Komfort hatten sich schlussendlich gegen das leider etwas hohe Gewicht durchgesetzt. Weitere Infos über technische Features und Performance findet man im Testbericht: klick!
//Race
Nach einer erstaunlich ruhigen Nacht und genügend Schlaf hatte mich der Wecker um 05:00 Uhr aus den Federn geholt. Zwei Stunden vor dem Wettkampf aufzustehen sind ausreichend für das Frühstück (Weissbrot mit Honig, dazu ein Iso-Getränk) und andere, persönliche Rituale, bevor es dann in die Startlöcher geht. Eine Stunde vor dem Wettkampf konsumierte ich noch ein Enervit Pre Sport, was nicht gerade ein kulinarischer Leckerbissen war, aber wenn's helfen sollte...
Und dann war es soweit, pünktlich um 07:00 Uhr war der Startschuss gefallen zum 29. Swissalpine Marathon. Der Speaker liess mit positiver Stimme verlauten, dass das Wetter heute ein Mix aus föhnigen Aufhellungen und einigen Regenschauern sein sollte, dies hatte er nur ein bischen schöngeredet. Denn noch vor Davos Monstein, nachdem wir noch nicht einmal eine Stunde unterwegs waren, begann es bereits zu schütten, und es sollte nicht mehr aufhören bis auch der Hinterletzte im Ziel sein würde.
(Starkregen in Monstein - der Läufer im Hintergrund wurde 1. in der AK 55!)
In Monstein wurde ich von Familie und Freunden angefeuert, und Yanik wurde die Aufgabe zuteil mir ein Koffein Gel anzubieten. Kleider wollte ich noch keine wechseln, obwohl ich schon bis auf die Haut durchnässt war. Die Temperaturen waren soweit angenehm, und so nahm ich wieder Fahrt auf Richtung Filisur. Unterwegs passierten wir die landschaftlich reizvolle Zügenschlucht, querten das Landwasser über das Wiesener Viadukt in schwindelerregender Höhe, und rannten schliesslich unter dem imposanten Landwasserviadukt hindurch, welches seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörte; somit war es auch eine kleine Kulturreise und nicht nur ein gewöhnlicher Marathon. Trotz allem, es regnete pausenlos weiter.
(Beim Wiesener Viadukt - das Lachen noch nicht verloren)
Kurz vor Filisur nahm ich wie geplant ein weiteres Gel, bevor ich mich an den langgezogenen Anstieg Richtung Bergün machte. Im ersten, flacheren Abschnitt, der Albula folgend, nahm ich bewusst etwas Tempo raus, damit ich mich nicht vorzeitig verheizen würde. Später, im steileren Teilstück, konnte ich dann an diversen Läufern vorbeiziehen, die steilen Anstiege schienen nicht allen zu bekommen. Hoch über dem Bergüner Stein bei Pkt. 1476m war der Höhepunkt erreicht, von hier hatte man beste Sicht hinunter auf Bergün. In der Folge musste ca. 150 Höhenmeter vernichtet werden, bevor man nach einem weiteren, kurzen Anstieg in Bergün Pkt. 1367m einlaufen konnte. Der Speaker war schon von weitem zu hören, die Zuschauer klatschten frenetisch. Kurz vor dem Verpflegungsposten sah ich meine Angehörigen, Yanik rannte mir bereits entgegen um mir ein Gel zu und eine Salzlösung zu reichen.
(Wenige Meter vor Bergün - noch stimmte der Fahrplan...)
Bis hierher war ich nicht schlecht unterwegs, die Zwischenzeit wurde bei 3:45'05 gestoppt, und dies obwohl ich mit reduziertem Tempo unterwegs war. Ich fühlte mich immer noch gut und blickte zuversichtlich auf die nächste Etappe. Nachdem das Shirt gewechselt und die Armlinge montiert waren, hatte ich meine Reise fortgesetzt. Das Val Tuors hinein war vergleichsweise flach und angenehm zu laufen, trotzdem verspürte ich schon bald ein leichtes Ziehen in den Aduktoren, die ersten, muskulären Ermüdungserscheinungen machten sich bemerkbar. Unterdessen waren auch die K42 Marathönler auf der Strecke, welche die K78er nun reihenweise überholten. Diese Tatsache galt es schlicht und einfach zu ignorieren, denn wir hatten ja bereits über 45 Kilometer in den Beinen. Kurz vor Chants Pkt. 1822m nahm ich ein weiteres Gel, damit ich frisch gestärkt den kräftezehrenden Abschnitt hinauf zur Keschhütte 2630m in Angriff nehmen konnte. Hier war nun grösstenteils speedhiken angesagt, das Gelände war zu steil um zu laufen. Die Aussicht auf die umliegenden Berge war durch den Nebel getrübt, der Boden nass und schlammig, die Energiereserven wurden dünner.
Doch dann kam die Keschhütte in Sichtweite, und ich schritt motiviert voran. Die Zwischenzeit stoppte schliesslich bei 5:49'50, dies hatte Zwischenrang 35 bedeutet. Ich konnte während dem Aufstieg somit noch einmal einige Plätze gut machen, wohl auch Dank der guten Akklimatisation. Es waren nun bereits 2/3 der Strecke absolviert und bloss noch läppische 300 Höhenmeter auf den Sertigpass 2739m zu bewältigen. Doch hier lag eben genau die Crux: es ging nun hauptsächlich bergab, und meine Knie hatten hierfür zum Generalstreik angesetzt. Sie wollten partout nicht bergablaufen. Ich hatte brutale Schmerzen. Und dummerweise hatte ich die Express-Voltaren im anderen Shirt zurückgelassen. Es war mir somit nichts anderes übrig geblieben, als die verbleibende Strecke nach Davos zurückzuwandern. Sehr schade, hätte man auf diesen flowigen Trails tiptop hinuntercruisen können. Stattdessen war ich mit schmerzverzehrtem Gesicht hinabgehumpelt, und musste gleichermassen hunderten resp. tausend gefühlten Läuferinnen und Läufern Platz machen, es war ein richtiges Scheissgefühl! Martine und die Kinder waren bestimmt schon im Zielgelände, sie würden noch einige Stunden im Regen auf mich warten müssen.
(Unterhalb Sertigpass 2739m - bereits am kämpfen)
Ich hätte gerne aufgegeben, mich hinzusetzen und auszuruhen war bei diesen misslichen Wetterverhältnissen allerdings auch keine Option. Also weiter und auf die Zähne beissen. Das Chüealptal hinaus und nach Sertig Dörfli Pkt. 1861m. Das Schild Perskindol, 500m vermittelte die nächste Massage-Station, welche ich dringend aufsuchen wollte. Leider waren nur zwei Masseure zugegen und auch bereits beschäftigt, es war alles ein schlechter Witz. Dann also doch auf die harte Tour, und so hatte ich den letzten Abschnitt ohne Massage in Angriff genommen. Mal gehend, mal laufend, kam ich dem Ziel langsam näher. Die wunderschönen Trails durch Bäbiwald, Bodenwald, Spinnelenwald, Bolgenwald und Mattawald hatte ich nur am Rande wahrgenommen. Ich hatte mir jedoch fest vorgenommen, in alter frische zurückzukehren um über diese idyllischen Pfade zu schreiten.
Trotz Dauerregen war immer noch viel Publikum zugegen, welche die Läufer auf der Zielgeraden ein letztes Mal anfeuerten. Und plötzlich sah ich meine Familie, das lange Warten hatte ein Ende. Yanik war überwältigt vor Emotionen, wohl noch mehr als ich es war, und wollte daher nicht mit ins Ziel einlaufen. Mit Méline auf den Armen passierte ich die Ziellinie, das Leiden war endlich vorbei. Freude wollte allerdings nicht einkehren, zumindest noch nicht, zu frustiert war ich über meine Unfähigkeit, den Lauf sauber durchgebracht zu haben. Finishershirt und Medaille nahm ich regungslos entgegen. Die Szenerie in der Dusche konnte meine Stimmung dann wieder etwas aufheitern, man sah viele freudige Gesichter, Gratulationen allüberall, aber auch schmerzverzehrte Gesichter und Körper, welche aufgrund des Temperaturunterschieds unter der heissen Dusche durchgeschüttelt wurden. Jeder hatte seinen eigenen Kampf durchgestanden, die Verhältnisse waren nicht einfach gewesen. Das war's also, das Abenteuer K78 war überstanden.
//Fazit:
Nach diesem Wettkampf, auf den ich mich wirklich gut vorbereitet hatte, fühlte ich mich etwas konsterniert, denn eigentlich war ich topfit und hätte zu einer besseren Leistung imstande sein sollen! Aber zum wiederholten Male hatte ich einen Lauf in den Sand gesetzt. Ergab dies überhaupt einen Sinn, sollte ich je wieder an einem Wettkampf teilnehmen? Glücklicherweise kann ich mich in eine Sache ziemlich reinbeissen und gebe normalerweise nicht so schnell auf, vielleicht musste ich meinem Körper einfach noch etwas mehr Zeit geben, damit er weitere (schmerzhafte) Erfahrungen sammeln kann?
Immerhin, bis Bergün lief alles wie am Schnürchen. Hätte ich das Rennen hier beendet (Kat C42, 43km, +1020m/ –1190m), wäre ich mit meiner Leistung mehr als zufrieden gewesen, denn bis dort lief ich bei weitem nicht am Limit und hätte sicher noch eine Schippe drauflegen können. Doch leider war Bergün bekannterweise nur die halbe Miete, und kurze Zeit später begann die Leidenszeit. Im Val Tuors bekam ich bereits Probleme mit den Aduktoren. Dies machte sich vor allem in den diversen Flachpassagen bemerkbar, wo ich deutlich Tempo rausnehmen musste. Im Aufstieg zur Keschhütte 2630m war dies allerdings kein Thema mehr, ich profitierte hier von der guten Akklimatisation, und konnte mit vollen Lungen sogar noch einige Plätze gut machen (Zwischenrang 35, 5:49'50, 55km, +2400m/-1030m).
Für die restlichen 25 Kilometer mit vorwiegend negativen Höhenmetern brauchte ich dann sage und schreibe weitere 3.5h! Dies war äusserst deprimierend, denn ohne der verflixten Knieschmerzen (Läuferknie) hätte ich eine Zeit von 8 Stunden im Visier gehabt! Aber was will man machen wenn der Körper streikt, und die Schmerzmittel unterwegs vergessen gingen? Was sollte ich ändern in Zukunft? Zusätzliche Krafttrainings einbauen, oder der Einfachheit halber Voltaren schlucken wenn es zwickt? Letztendlich war ich nur noch froh, dass ich es doch noch bis ins Ziel geschafft hatte, Zeit und Rang waren Nebensache.
Meine Food-Strategie war indes voll aufgegangen. Ich war zufrieden, dass ich mir im Vorfeld darüber Gedanken machte. Dies hatte mir die Stresssituationen vor den Verpflegungsposten erspart, und ich lief nie in Gefahr in einen Hungerrast zu laufen. Auch die Kleider-Strategie war mehr oder weniger aufgegangen, mit den Armlingen hatte ich im hochalpinen Gelände genügend warm. Vielleicht hätten mir 3/4-Hosen die Kniebeschwerden erspart? Was die Schuhwahl betrifft, werde ich mich nächstes Mal allenfalls für ein leichteres und spritzigeres Modell entscheiden, auch wenn mich der Dynafit Pantera Ultratrail Running Schuh zuverlässig ins Ziel gebracht hatte.
(Zielankunft Davos)
//Facts:
- Route: siehe Übersichtskarte
- Distanz: 79.6km
- Höhenmeter: 2780m
- Terrain: 60% Naturstrassen und Wanderwege, 25% Bergwege, 15% Asphalt.
- Ranglisten: klick!
- Finisher Clip: klick!
//Durchgangszeiten:
- Filisur 2:41'30
- Bergün 3:45'05
- Keschhütte 5:49'50
- Sertig Dörfli 7:57'51
- Sportzentrum Davos 9:20'50
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GPS-Profil
GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte des Berglaufs können hier heruntergeladen werden (gpx file).
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Bemerkungen:
Auf langen Distanzen ist eine Food-Strategie (Beispiel Enervit) unerlässlich. Am besten legt man sich einen Plan zurecht und hält darauf schriftlich fest, bei welchem Posten man was essen würde. Im Rennen hat man so weniger Stress und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Um Krämpfen vorzubeugen ist die Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig, noch wichtiger als genügend Salz und Magnesium! Man soll saufen was das Zeug hält, am besten bei jedem Posten anhalten, sich etwas Zeit nehmen und genügend trinken.
Weissbrot mit Honig bewährte sich als Frühstück (wie auch das Enervit Pre Sport, oder auch dunkelgelbe Bananen (am besten die mit braunen Punkten, denn grüne Bananen besitzen noch Stärke, die zuerst in Zucker umgewandelt werden muss, dies kann unerwünschte Bauchschmerzen verursachen). Randnotiz: An den Verpflegungsposten liegen meistens eben diese grünen Bananen auf, also bitte mit Vorsicht geniessen...!
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