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 | Tourendetails Bedretto Quartett (Pizzo Grandinagia 2700m, Pizzo Cavagnöö 2837m, Pizzo San Giacomo 2924m, Marchhorn 2962m) |
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Tourenart | Skitour |
Datum | 12.12.2014 |
Region | |
Kartennummer | 1251 Val Bedretto, 1271 Basodino, SAC Skitouren Tessin/Misox/Calanca |
Link zum Kartendienst |  |
Anforderung | S+ 4.3/E1 |
Besucherandrang | Schwach frequentiert |
Kondition | A |
Distanz | 14.1km
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Höhenmeter | 2300m 2300m |
Lawinenbulletin | mässig (siehe Slf-Archiv) |
Exposition | Alle Exp. |
Gipfel erreicht? | Ja |
Bewertung (Erlebniswert) | schön |
Beschreibung | Steile Anstiege und wilde Abfahrten im südlichen Bedretto (Pizzo Grandinagia 2700m NW-Couloir, Pizzo Cavagnöö 2837m, Pizzo San Giacomo 2924m SE-Couloir, Marchhorn 2962m NNW-Couloir), mit Dani und Nic
(Das Objekt der Begierde: Pizzo Grandinagia NW-Couloir - Nic & Chris geniessen den gut gesetzten Pulver im obersten Abschnitt)
//Motivation
Der grosse Schnee liess noch immer auf sich warten, daher musste ein weiteres Mal die Gotthardregion in die Presche springen. Immerhin war uns ein Schönwetterfenster vergönnt und die Schneedecke soweit verfestigt, dass wir ins Bedretto aufbrachen um einige steile Couloirs zu shredden. Wie schon bei der Oberalp Trilogie waren wieder die selben Spezln im Boot, angetan vom guten Teamspirit und der Aussicht auf ein weiteres, grossartiges Rockkonzert!
//Pizzo Grandinagia 2700m (Skigipfel) NW-Couloir
(Pizzo San Giacomo SE-Couloir - mit aufgebundenen Skiern)
Start in All'Acqua Pkt. 1614m, der Himmel beinahe wolkenlos, die Temperaturen angenehm und praktisch windstill. Anstieg entlang dem Sommerweg zur Hütte bei Val d'Olgia Pkt. 2063m. Die Schneedecke hartgefroren und pistenartig geglättet. Ab hier leichter Wind spürbar und winzige Schneeverfrachtungen sichtbar. Im Banne des Pizzo Grandinagia NW-Couloirs, welches sich bis auf eine Stelle tiptop eingeschneit und unverspurt präsentierte, stiegen wir über Löite hoch zur Steilstufe bei Pkt. 2445m. Nach einigen Spitzkehren war die Stufe problemlos geschafft, und wenig später erreichten wir bereits die letzten Felsen des Pizzo Grandinagia Skigipfels Pkt. 2700m. Zu Fuss in wenigen Schritten zum höchsten Punkt.
Hier erreichte uns erstmals die Sonne, welche hinter dem Pizzo Grandinagia 2774m hervorstrahlte. Obwohl wir die Steigeisen dabei hatten und grosse Lust verspürten auch noch den Hauptgipfel zu erklettern, liessen wir Vernunft walten und enschieden uns dagegen; wir würden einfach zuviel Zeit verlieren, und das durch den Verzicht geschaffene Polster würde uns später ev. noch nützlich sein. Somit machten wir uns nach einer kurz gehaltenen Pause bereit für die Abfahrt.
Die Einfahrt in die NW-Flanke war schnell gefunden. Vorsichtig prüften wir die Schneedecke, welche nicht den homogensten Eindruck machte. Nach wenigen Metern waren dann die letzten Zweifel verflogen, und wir genossen den Pulver, welcher sich vor allem in den Rinnen und Mulden üppig angesammelt hatte. Das im Aufstieg inspizierte Exit-Couloir, welches von oben gesehen rechts zu liegen kam, war schnell und problemlos erreicht, und so konnten wir auch den letzten Abschnitt in Angriff nehmen. So gut der erste Teil der Abfahrt war, so schlecht waren die Schneeverhältnisse im unteren Abschnitt; hart und ruppig zu fahren, survival skiing (O-Ton Dani) war angesagt - möglichst sturzfrei durchkommen. Unten raus dann noch einige Schwünge im Pulver, bevor die Skier in der Fläche von Ganone 2250m zu stehen kamen.
//Pizzo Cavagnöö 2837m - Pizzo San Giacomo 2924m SE-Couloir
(Aufstieg Pizzo San Giacomo SE-Couloir, hoch über dem Ghiacciaio del Cavagnöö - Chris & Nic dropping in)
Hier unten, im schattigen Kessel von Ganone, herrschten Temperaturen wie im Gefrierschrank, dazu wehte ein mässig starker Wind, es war kein Platz zum verweilen. Nach einer kleinen Stärkung brachen wir schon bald wieder auf in Richtung Btta. di Formazzora Pkt. 2687m. Einmal mehr konnten wir von einer gut angelegten Aufstiegsspur profitieren, die Aussicht auf Sonne hatte uns ebenfalls vorangetrieben, und so erreichten wir schon bald die Einsattelung zwischen dem Pizzo San Giacomo 2924m und Pizzo Cavagnöö 2837m. Letzterem wollte ich noch kurz meine Aufwartung machen, da mir noch etwas Zeit blieb bis die anderen zu mir aufgeschlossen hatten. Nach kurzem Schlussspurt erreichte ich das unspektakuläre Gipfelplateau. Die Aussicht auf die umliegenden Gipfel war allerdings phänomenal! Unterdessen waren Dani und Nic von der Btta di Formazzora Pkt. 2687m Richtung Ghiacciaio del Cavagnöö abgefahren, und ich wollte sie nicht warten lassen. Ich entfernte somit die Felle und fuhr über die hartgefrorene Piste schnurstracks zu ihnen hinunter.
Ausgeruht, gestärkt und von der Sonne aufgewärmt brachen wir gemeinsam auf Richtung Pizzo San Giacomo 2924m. Das steile SE-Couloir war von weitem sichtbar und über eine Rampe problemos anzusteuern. Wir kamen allerdings nicht umhin eine neue Spur anzulegen, und dies hatte dann doch die eine oder andere Schweissperle auf die Stirn befördert. Während bis anhin nur das SE-Couloir zur Diskussion stand, wurde aus der Nähe betrachtet die SE-Flanke ebenfalls zur Option. Bis auf die dürftig eingeschneite, felsige Engstelle sollte die Flanke gut fahrbar sein und die Steilheit von 45° kaum übertreffen.
So oder so wollten wir die Skis auf den Gipfel mitnehmen und nicht unten deponieren. Somit banden wir diese rasch auf den Rücken und begannen das steile Couloir hochzustapfen. Dank der SE-Exposition war der Schnee erstaunlich verfestigt und verlangte nach weniger Wühlarbeit als befürchtet. Der Pickel leistete dabei gute Dienste, die Steigeisen blieben derweil im Sack. Der saugende Tiefblick verlieh ein Hochgefühl, welches den Chrampf schnell vergessen liess. Am Ende des Couloirs versperrte ein ca. 5m hoher Felsriegel den Weg zum Gipfel, diesen zu überwinden hätte Steigeisen-Kletterei im zweiten Grad verlangt (ein erster, zaghafter Versuch ohne Steigeisen wurde als zu riskant eingestuft). In Anbetracht der aufzieheden Schlechtwetterfront, unterdessen hatten dunkle Wolken den Himmel verdeckt, sahen wir ein weiteres Mal von dieser zeitraubenden Aktion ab, und machten uns stattdessen bereit für die Abfahrt durch das SE-Couloir.
Die Abfahrt entsprach genau unserem Gusto: Ein steiles und enges Couloir, technisch zu fahren mit vielen Kickturns, bei durchwegs bestem Presspulver. Dafür nahmen wir die Strapazen jeweils gerne in Kauf. Als wir dann alle unten waren glich die Unterlage allerdings mehr einer Skipiste. Anschliessend fuhren wir gleich noch hinab ins Gletscherbecken, bevor wir ein letztes Mal anfellten um Richtung Marchhorn 2962m zu starten.
//Marchhorn 2962m NNW-Couloir
(Tiefblick Marchhorn NNW-Couloir - Dani lässt es stäuben)
Fast schon wiederwillig nahmen wir die letzten 300 Höhenmeter unter die Füsse, doch schliesslich hatten wir keine andere Wahl - Augen zu und durch. Immerhin hatte das Wetter wieder etwas gebessert, und wir waren zuversichtlich, die Tour im Trockenen und bei guter Sicht beenden zu können. Schliesslich erreichten wir frohen Mutes den Gipfelsteinmann, und just in diesem Moment lugte die Sonne hinter den Wolken hervor, wenn das kein Zeichen war!
Nachdem wir das unberührte und pulvrige? NW-Couloir, sowie das plattgepresste Canalone del Marchhorn inspiziert hatten, entschieden wir uns schliesslich für das NNW-Couloir, dessen Einfahrt südlich von Pkt. 2893m zu finden war. Als wir hinunterblickten, erkannten wir sofort den markanten Felsen bei der Alpe San Giacomo. Schon damals hatten wir dieses Couloir gewählt.
Mit einem beherzten Sprung gelangten wir ins Couloir, welches uns erst 500 Höhenmeter weiter unten wieder ausspuckte. Die wechselnde Schneedecke war pulvrig bis hart, wir profitieren allerdings vom gelösten Lockerschnee und konnten demensprechend sanft dem Tal entgegengleiten. Zuletzt dann doch noch einige Schwünge im gut konserviertem Pulver, bevor wir auf der Alpe San Giacomo die Beine lockerten. Nun galt es noch auf der harten und holprigen Piste nach All'Acqua abzufahren, doch dies war uns einerlei, schliesslich war der ausgiebige Tag, mit drei actiongeladenen Couloirabfahrten, bereits mehr als gelungen!
//Fazit:
Während wir im Frühling die KING LINE im nördlichen Bedretto ins Leben riefen, konnten wir heute im südlichen Bedretto mit einer weiteren, lohnenden Linie nachlegen. Auch wenn diese Route alpinistisch nicht ganz mithalten konnte mit dem nördlichen Gegenstück, bot sie uns gleichermassen spektakuläre Anstiege und steile Couloir-Abfahrten - mit frischem Pow wären diese drei nordseitigen Abfahrten wohl kaum zu übertreffen!
Die Entscheidung, auf die Gipfelbesteigungen von Pizzo Grandinagia 2774m und Pizzo San Giacomo 2924m zu verzichten, war im nachhinein betrachtet weise und vernünftig, denn wir hätten dabei viel Zeit verloren und die Tour zumindest bei schlechten Sichtverhältnissen beenden müssen.
(La fin du jour - die Glückshormone schlagen Purzelbäume - unsere Spuren am Grandinagia)
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Facts Pizzo Grandinagia 2700m NW-Couloir (rechter Arm):
Höhe 350m, 4.3. Durchgehend 40-45° steil, Engstelle im Mittelteil.
Angetroffene Verhältnisse: Inhomogene Schneedecke: Pulver in den Mulden, dann wieder windbearbeitet, und raus hart und ruppig (Dani nannte es treffend Survival Skiing).
Facts Pizzo San Giacomo 2924m SE-Couloir:
Höhe 100m, 4.2. Durchgehend 40° steil, keine Hindernisse. Dank SE-Exposition oftmals gute und stabile Schneeverhältnisse.
Angetroffene Verhältnisse: Perfekter, gut gesetzter Presspulver.
Facts Marchhorn 2962m NNW-Couloir:
Höhe 500m, 4.2. Einfahrt 45°, anschliessend durchgehend 40° steil, flach auslaufend. Von oben sichtbar ein markanter Fels unten bei der Alpe San Giacomo.
Angetroffene Verhältnisse: Presspulver oder dann harte Schneedecke, Dank Sluff trotzdem gut zu fahren. Unten raus Pulver mit leichtem Winddeckel.
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//Facts:
- Route: All'Acqua - Val d'Olgia - Löite - Pizzo Grandinagia (Skigipfel) - NW-Couloir - Ganone - Btta di Formazzora - Pizzo Cavagnöö - Btta di Formazzora - Ghiacciaio del Cavagnöö - Pizzo San Giacomo SE-Couloir - Ghiacciaio del Cavagnöö - Marchhorn - NNW-Couloir - Alpe San Giacomo - Val d'Olgia - All'Acqua.
- Distanz: 14.1km
- Höhenmeter: 2300m
- Ausrüstung: Steigeisen & Pickel
- Verpflegung: 2 Gels, Schoggiriegel, 1l Iso
//Die Zeiten:
- Start All'Acqua Pkt. 1614m um 07:40 Uhr.
- Ankunft Pizzo Grandinagia 2700m (Skigipfel) um 09:55 Uhr.
- Start Pizzo Grandinagia 2700m (Skigpfel) um 10:07 Uhr.
- Ankunft Ganone 2250m um 10:30 Uhr.
- Start Ganone 2250m um 10:40 Uhr.
- Ankunft Pizzo Cavagnöö 2837m um 11:36 Uhr.
- Start Pizzo Cavagnöö 2837m um 11:41 Uhr.
- Ankunft Btta di Formazzora 2600m um 11:44 Uhr.
- Start Btta di Formazzora 2600m um 11:59 Uhr.
- Ankunft Pizzo San Giacomo SE-Couloir 2850m um 12:40 Uhr.
- Start Pizzo San Giacomo Einstieg SE-Couloir 2850m um 12:44 Uhr.
- Ankunft Pizzo San Giacomo Ausstieg SE-Couloir 2910m um 13:00 Uhr.
- Start Pizzo San Giacomo Ausstieg SE-Couloir 2910m um 13:10 Uhr.
- Ankunft Ghiacciaio del Cavagnöö 2680m um 13:21 Uhr.
- Start Ghiacciaio del Cavagnöö 2680m um 13:27 Uhr.
- Ankunft Marchhorn 2962m um 13:54 Uhr.
- Start Marchhorn 2962m um 14:10 Uhr.
- Ankunft All'Acqua Pkt. 1614m um 14:58 Uhr.
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GPS-Profil
GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte der gesamten Tour können hier heruntergeladen werden (gpx file).
Bemerkungen:
Im Gegensatz zu den nördlichen Bedrettotouren (u.a. Pizzo Rotondo, Pizzo Pesciora), welche auf der Sonnenseite stehen, befindet man sich bei den südlichen Bedrettotouren im Hochwinter durchwegs im Schatten. Dafür geniesst man auf dieser Seite oftmals bestens konservierten Pulverschnee. Man hat somit die Qual der Wahl...
Bulletin: Mässig ab 2400m in allen Expositionen, frische und ältere Triebschneeansammlungen bildete die Hauptgefahr.
Der süffige Bericht von Dani zur heutigen Tour: klick!
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